Ein Sturmtief zieht auf. Man sieht dunkle, große Wolken über einer Wiese.

Wetterberichtigung: Deutschlands Wetter wird diverser

Sei heißen Gundmar, Hildegard, Sabine oder Rosamunde: Wettererscheinungen werden in Deutschland meist mit traditionellen, altmodischen Namen betitelt. Das soll sich 2021 ändern: Erstmals werden wir in den Nachrichten auch von Hoch- und Tiefdruckgebieten hören, die in unseren Ohren nicht „typisch deutsch“ klingen.

Hinter der Aktion mit dem kreativen Namen „#Wetterberichtigung“ steckt der Verband „Neue deutsche Medienmacher*innen„. Der kulturell-diverse Zusammenschluss aus Journalist*innen aller Sprachen und Herkunftsländer möchte die Medienwelt in Deutschland vielfältiger gestalten und für die Interessen von Menschen mit Migrationsgeschichte eintreten. Gemeinsam mit den „Neuen Schweizer Medienmacher*innen“ und dem österreichischen Team von goandtry.com hat das Netzwerk nun Patenschaften für 14 Hoch- und Tiefdruckgebiete erworben – und durfte somit auch über ihre Namen entscheiden.

Die Wahl fiel unter anderem auf Bozena, Cemal, Hakim und Dragica. Tiefdruckgebiet Ahmet ist bereits unterwegs und hat vielen Deutschen in den letzten Tagen Schnee und Kälte beschert. Doch wozu das Ganze? Den Medienschaffenden ist klar, dass die Benennung der Wettererscheinungen nur einen symbolischen Effekt hat. Um Menschen mit Migrationshintergrund wirklich mehr in die Medienwelt einzubinden, müssen andere Schritte ergriffen werden: Bis zum Jahr 2030 fordert der Verband beispielsweise eine verbindliche Quote für die Medienbranche, durch die 30 Prozent der Stellen an eingewanderte Personen vergeben werden sollen. Dennoch ist das Projekt „Wetterberichtigung“ ein erster, wichtiger Schritt in die richtige Richtung, der Menschen ins Gedächtnis ruft, wie divers unsere Gesellschaft eigentlich ist – schließlich hat knapp ein Viertel der Einwohner*innen Deutschlands eine Migrationsgeschichte.

Dass eine Aktion dieser Art schon lange überfällig ist, bestätigen die Reaktionen in den sozialen Netzwerken: Nicht nur Mitglieder*innen der AfD wettern gegen die „exotischen“ Namenspaten, auch andere Bürger*innen zeigen sich empört. Trotz allem überwiegt die positive Resonanz: Viele Menschen sehen sich durch die neuen Namen der Hoch- und Tiefdruckgebiete tatsächlich stärker repräsentiert. Auch eine denkbar kleine Veränderung kann demnach einen Unterschied bewirken.

Wieder einmal gilt: Unser Sprachgebrauch formt die Realität. Je nachdem, aus welchem kulturellen Umfeld wir stammen und welche Werte und Normen uns damit nahegelegt werden, verhalten wir uns auch im Bereich der Sprache anders. Genauso reflektiert unsere Wortwahl häufig gesellschaftliche Veränderungen: War es vor einigen Jahrzehnten noch undenkbar, auch nur weibliche und männliche Formen in einem Text zu verankern, ist das Gendern mittlerweile in vielen Bereichen unseres Lebens angekommen – nicht nur, weil die Gesellschaft vielfältiger wird, sondern vor allem, weil diese Vielfalt als wertvoll erkannt und von vielen Menschen geschätzt wird. So ist es auch mit der „Wetterberichtigung“: Auch wenn es weiterhin Gegenstimmen geben wird, ist es wichtig, die gesellschaftliche Diversität zunehmend in unserem Alltag zu verankern – und das Projekt der „Neuen deutschen Medienmacher*innen“ kann dazu mehr beitragen, als manch eine*r zunächst denken mag.

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Bildquelle: Pexels; CCO-Lizenz