SMS gegen Liebe

Eine Idee Liebe: Wie Whatsapp unser Liebesleben zerstört

Die romantische Liebe ist zum Kitt unserer Paarbeziehungen geworden. Dass sie der Kitt zweier Menschenleben ist, ist dabei eine noch recht junge Erfindung. Seitdem hat sich viel getan. In dieser Kolumne beschäftigen sich unsere zwei Autorinnen Lena und Rahel mit dem Ursprung der romantischen Liebe. Wo kommt sie her, wo will sie hin? Ist die Liebe zwischen Swipe links und Swipe rechts nur noch ein Produkt der Liebesökonomie?

Wenn es um die Liebe im 21. Jahrhundert geht, dann ist ein großer Einflussfaktor aus unseren Leben und auch unseren Händen kaum noch wegzudenken: Das Smartphone. Wir lernen unsere Liebsten über Dating-Apps kennen, wir halten mit ihnen über Skype Kontakt und wir schicken uns Bilder über Messenger. Doch die Digitalisierung bietet nicht nur Vorteile, wenn es um die Liebe geht. Das weiß jeder, dessen Beziehung schon mal fast durch einen leeren Akku oder einen Vertipper zerstört worden wäre.

Es ist Samstagabend. Mein Freund und ich sitzen auf der Couch, auf dem Bildschirm rennt 007 irgendeinem seiner Bondgirls hinterher. Mein Smartphone liegt auf dem Tisch und blinkt in unregelmäßigen Abständen mit Nachrichten von meiner Freundin Caro auf. Mein Blick wandert unruhig zwischen Handy und James Bond hin und her, bis selbst mein Freund es nicht mehr aushält. „Jetzt schau halt, was sie will.“ Innerhalb von zwei Sekunden habe ich mein Smartphone in der Hand und öffne Caros Chat.

„Ich brauche Hilfe!“ schreit mich die erste Nachricht an. Gefolgt von einer Armada an Screenshots aus einem Chat zwischen ihr und einem gewissen Tobi auf Tinder. Gespannt folge ich dem Gespräch zwischen den beiden. Es geht um Lappalien: Wo wohnst du? Was machst du in deiner Freizeit? Das Übliche. Tobi scheint nett zu sein. Er antwortet humorvoll und wirkt interessiert an Caros Leben. Ich fühle mich ein bisschen wie die Fliege an der Wand, während ich die Screenshots lese. Kann aber nicht so wirklich den Grund erkennen, weshalb Caro nun meine Hilfe zu brauchen scheint. „Ja klingt doch super“, schreibe ich ihr also, um die Stimmung oben zu halten. „Denkst du?“ antwortet Caro prompt. „Meinst du nicht, dass das alles etwas schnell geht?“ „Mit was? Bisher schreibt ihr doch nur!“ „Ja, aber er will sich treffen, ist das nicht ein bisschen vorschnell?“

Ich bin irritiert. Ja gut, Tobi hatte in seiner letzten Nachricht gefragt, ob die beiden sich Sonntagfrüh spontan zum Brunch in seinem Viertel treffen wollen. Aber war er deswegen gleich zu schnell? Ich fand das eher mutig und ehrlich. Kommentarlos hielt ich meinem Freund den Bildschirm unter die Nase und stellte im die gleiche Frage, die Caro eben mir gestellt hatte.

Konzentriert scrollte nun auch er durch meine Nachrichten und die darin enthaltenen Screenshots. In seinem Gesicht herrschte sofort Kirmes. Er zog die Augenbrauen hoch, verzog die Mundwinkel oder kniff die Augen zusammen. „Meinst du, dass ich da der richtige Ansprechpartner bin? Was sagst du denn dazu?“ „Ehrlicherweise finde ich ihn mutig“, entgegnete ich ehrlich: „Aber ich wollte eigentlich deine Meinung hören.“ Er seufzte. „Ihr seid wirklich kompliziert. Also ich finde, dass das eine völlig normale Frage ist. Der Kerl wirkt doch vernünftig, oder nicht?“ Und genau das schrieb ich Caro dann auch. Dennoch ließ mich der Verlauf des Gesprächs nicht los. Nicht nur das zwischen Tobi und Caro, sondern auch der Rattenschwanz, den eine einfache Frage eines offensichtlich netten Kerls nach sich gezogen hatte.

Wie konnte es sein, dass sich drei erwachsene Menschen über eine simple Ja oder Nein Frage 15 Minuten lang den Kopf zerbrachen?

Zugegeben, ich war als Teenagerin die Meisterin der Interpretation. Egal ob es um das Verhalten des süßen Typen im Mathekurs ging oder darum, ob der Kerl in der Bahn nun wirklich meiner besten Freundin zugezwinkert oder nur was im Auge hatte. Damals ging es dabei vor allem um das Drama, die Spannung. Und heute, wo ich mit Leidenschaft die Netflix-Serie Bridgerton verfolge, kommt dieses Gefühl ab und zu wieder in mir hoch. Der Unterschied liegt jedoch darin, dass mein Alltag heute, im Vergleich zum Alltag meines 15-jährigen Ichs, auch ohne das Drama um den Justin-Bieber-Verschnitt im Bus schon aufreibend genug ist. Bridgerton ist da schon das Maximum an ertragbarer Tragik und die hat nicht einmal etwas mit mir selbst zu tun. Ich weiß also nicht, wann ich angefangen habe, das was Menschen mir sagen, einfach für bare Münze zu nehmen, aber es entpuppte sich als wahrer Glücksfall. Denn tatsächlich ist es relativ häufig so, dass Menschen, die dir sagen, dass sie sich gerne mit dir treffen wollen, das auch so meinen. Gleiches gilt für Personen, die auf die Frage nach dem Wohlbefinden mit „gut“ antworten und sollte es ihnen dann doch nicht so gut gehen, wird es schon einen Grund geben, weshalb sie dir gerade lieber nicht ihr Herz ausschütten wollen.