Die drei Schauspieler des Films "Freaks" stehen vor der Kamera und schauen in die Ferne

„Freaks“-Darsteller Wotan Wilke Möhring im Interview

Der Schauspieler Wotan Wilke Möhring ist nicht nur bekannt aus dem Hamburger Tatort und verschiedensten deutschen Filmen, sondern spielt jetzt auch im neuen Netflix-Film „Freaks – Du bist eine von uns“ mit. Wir haben uns mit ihm über seine Rolle im neuen Film, die Bedeutung von Freiheit und das Gefühl, ein Außenseiter zu sein, unterhalten.

Zeitjung: In Freaks spielst die Rolle des obdachlosen Marek. Was haben er und du gemeinsam?  

Wotan Wilke Möhring: Auf den ersten Blick nicht viel. Er besitzt diese Superkraft  und hat seine Familie verloren. Er ist mit Schuld beladen, zieht sich zurück und lebt im Untergrund. Bei jedem Müllcontainer, den er durchwühlt, fällt er diese Entscheidung  gegen gesellschaftliche Zwänge  neu.  Er nimmt das  Leben außerhalb der Gesellschaft  für diese Freiheit in Kauf. Das ist das, was uns verbunden hat. Es war auch mein Zugang: Ich sehe das so wie Marek: Man muss bereit sein, im  Müllfass  zu hausen, wenn man  dafür frei und selbstbestimmt sein kann – anstatt sich als Superheld der Öffentlichkeit auszuliefern und nicht mehr man selbst zu sein. 

Zeitjung: Der Film heißt Freaks. Hast du dich jemals selbst als Freak oder Außenseiter gefühlt?  

Wotan Wilke Möhring: Ja. Das haben wir doch in der Jugend alle. Dieses Gefühl, nicht genau zu wissen, wo man hingehört. Man steht plötzlich in einer Gruppe auf einer Party und denkt “Was mache ich hier? Ich gehöre eigentlich nicht hierher”. Ich glaube, das ist ein allgemeingültiges Gefühl, das ich hatte und durchaus immer wieder mal habe. Heute weiß ich, dass man einfach gehen oder vorher die Einladung absagen muss. Die Priorität, Lebenszeit nicht zu verschwenden und sie mit Leuten zu verbringen, zu denen man sich zugehörig fühlt, wird mit zunehmendem Alter immer größer.   
 

Zeitjung: Über welche besonderen Fähigkeiten verfügst du, von denen niemand etwas weiß?  

Wotan Wilke Möhring: Ich habe erfahren, dass man immer mehr schafft als man denkt. Auch körperlich. Wenn man glaubt, man kann nicht mehr, geht meistens doch noch etwas. Zum Beispiel beim Tauchen ohne Flasche: Man denkt: “Ich muss jetzt nach oben”. Aber man muss nicht. Das bringt einen immer auf den Gedanken, was der Körper für ein Wunderwerk ist. Was wir alles können, uns das aber – oft aus Gewohnheit oder Bequemlichkeit – nicht zutrauen. Wenn wir etwas wollen, können wir auch wirklich Dinge bewegen.  
 

Zeitjung: Welche Superkräfte hättest du gerne? 

Wotan Wilke Möhring: Mich zu jeder Zeit an jeden Ort beamen, dicht gefolgt von unsichtbar sein. Das wären so zwei, die ich ganz cool finden würde.  
 

Zeitjung: Hast du eine*n persönliche*n Lieblingssuperhelden*heldin?  

Wotan Wilke Möhring: Eine aktuelle Superheldin ist für mich Greta Thunberg. Sie hat auf der ganzen Welt Dinge bewegt, von denen niemand dachte, dass man etwas dagegen ausrichten kann. Aber wenn man wirklich will, durchhält und sich nicht beirren lässt, kann man einiges erreichen. Das ist für mich die positive Message des Films: Man kann auch als Individuum etwas verändern.  
 Und dann gibt es ja dieses Wort “Alltagsheld*in”, also Menschen, die selbstlos sind und in dem Moment funktionieren können und danach gar nicht wissen, was sie da eben getan haben. Wenn sie im Nachhinein gefragt werden, wieso sie so reagiert haben, beantworten sie das mit “Ich musste einfach”.  Sie wachsen damit über sich hinaus, das ist auch eine Art von Superkraft.  
 

Zeitjung: Du spielst jetzt auf so etwas an wie Zivilcourage, oder?  

Wotan Wilke Möhring: Ja, genau Zivilcourage, aber zum Beispiel auch die Kräfte von Müttern, die sie entwickeln, um ihre Kinder zu schützen. Wir besitzen Reflexe und Kräfte, die im Alltag vielleicht gar nicht hervortreten.  Es ist wichtig, zu wissen: Ich kann etwas. Auch wenn es keine etablierte Superkraft ist. Aber ich wachse über mich hinaus, wenn es gefordert ist.

Zeitjung: Nehmen wir an, es gäbe Superkräfte. Mit welchen Problemen hätte die Gesellschaft zu kämpfen?  

Wotan Wilke Möhring: Mit den Problemen, mit denen sie auch ohne Superkräfte kämpft: Jeder denkt nur an sich, dass nur er das Richtige tut. Keiner gönnt dem anderen etwas und alles ist ungleich verteilt. Und gerade jetzt in der Krise sind die wenigen Reichen superreich geworden und alle anderen sind am Boden. Egoismus wäre das Allerschlimmste für jede Superkraft. Weil sie auch im Alltag das Allerschlimmste ist.
   

Zeitjung: Dann wären wir auch schon durch. Vielen Dank für das Interview, Wotan! 

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Bildquelle: Copyright by David Dollmann DSC