Pille absetzen – ja oder nein? Und wer berät mich eigentlich unabhängig?

„Ich war ein ganz neuer Mensch“, liest man häufig in Erfahrungsberichten von Frauen, die nach langer Zeit die Pille abgesetzt haben. Obwohl die Pille laut einer Studie der BZgA immer noch bei knapp der Hälfte der Menschen in Deutschland das Verhütungsmittel der Wahl ist, geht der Trend die letzten Jahren immer weiter zurück. Das liegt unter anderem daran, dass in den Medien vor allem die negativen Nebenwirkungen thematisiert werden.

Katharina Rohmert, beratende Ärztin und medizinische Referentin bei Pro Familia, stellt fest, dass sich vor allem Frauen zwischen 25 und 35 Jahren verunsichern lassen: „Die Frauen sind manchmal einfach übersättigt und denken sich ‚ich war ja schon lange misstrauisch, jetzt habe ich es endlich schwarz auf weiß‘“.

Bei 56% der Frauen, die die öffentliche Diskussion verfolgen, hat sich die Denkweise über die Pille verändert, zeigt eine Forschungsarbeit aus dem Jahr 2017 mit über 700 Teilnehmer*innen. Ein überwiegender Anteil macht sich Sorgen über die Risiken der Pilleneinnahme. Ist das begründet? Sollte jetzt wirklich jede Frau die Pille besser absetzen? 

Gut oder böse?

Ja, die Pille ist ein Medikament und kann Nebenwirkungen haben. Kopfschmerzen, Übelkeit, Stimmungsschwankungen, weniger Lust auf Sex. Das Risiko einer Thrombose nimmt zu und auch das Brustkrebsrisiko steigt leicht. Und das sollte man auch unbedingt bedenken. Für einen überwiegenden Teil aller Frauen ist die Pille jedoch gut verträglich. Außerdem ist sie das sicherste Verhütungsmittel. Nur eine von 1000 Frauen, die ein Jahr lang ohne Fehler die Pille einnehmen, wird schwanger. Diese positiven Aspekte dürfe man nicht vergessen, so Katharina Rohmert: „Die Pille ist ein Produkt, das den Frauen unglaublich viel Freiheit in die Hand gegeben hat. Wir wissen ja heute gar nicht mehr, wie es vorher war“. 

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Geh‘ doch einfach zum Arzt!

Normalerweise geht man doch bei Fragen rund um die Verhütung einfach zum Frauenarzt oder zur Frauenärztin. Viele Frauen fühlen sich dort aber nicht mehr gut beraten – weil sie eben durch Medien viel mehr über beängstigende Nebenwirkungen erfahren haben. Es gibt immer noch erhebliche Wissenslücken beim der Aufklärung über Verhütung allgemein und über die Pille – seien es die verschiedenen Pillengenerationen. Oder aber die Angst, durch hormonelle Verhütung zuzunehmen, wofür es laut Rohmert keinen wissenschaftlichen Beweis gebe. Ein weiter Faktor sei der Irrglaube, man könne nach dem Absetzen der Pille sowieso erstmal nicht schwanger werden. Dabei ist eine gute Beratung und ausführliche Recherche doch so wichtig. Da ist sich auch die Beraterin von Pro Familia sicher: „Ich kann eine Entscheidung nur dann treffen, wenn ich gut informiert bin“. 

Was denn nun?

Wann sollte man denn auf jeden Fall überlegen, die Pille abzusetzen? Katharina Rohmert appelliert, aufmerksam zu werden, wenn man Schmerzen entwickelt und ein Leidensdruck entsteht: „Dann kann und muss man über Alternativen nachdenken“. Denn Alternativen wie die Spirale und das Kondom gibt es ja. Nur sei eben auch da wieder Aufklärung wichtig. Wer das Gefühl hat, beim Frauenarzt oder der Frauenärztin zu wenig informiert worden zu sein, dem rät die Ärztin, nochmal explizit nachzuhaken und sich parallel aus anderen Quellen zu informieren. Dafür kommen zum Beispiel Beratungsstellen, andere Frauenärzt*innen und neutrale Webseiten (nicht von Pharmaunternehmen selbst) im Internet infrage. Denn am Ende ist es nun mal so, wie Katharina Rohmert sagt: „Die Entscheidung trifft die Frau, nicht der Frauenarzt“.

Noch mehr Infos zum Thema gibt es auf diesen unabhängigen Portalen:

Einen ersten Überblick und Schlagworte rund um Themen wie Sex und Verhütungsmethoden gibt es auf zanzu.de, das von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung finanziert wird. Das Portal ist in 14 verschiedenen Sprachen sowie leichter und Gebärdensprache aufrufbar.

Der Klassiker: Pro Familia stellt auf der eigenen Website unter anderem Inhalte zu den verschiedenen Verhütungsmethoden bereit.

Auch bei gesundheitsinformationen.de, das vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit betrieben und damit Studien für den Gesetzgeber durchführt.

Du willst noch tiefer in die Thematik eintauchen und schreckst nicht vor medizinischem Vokabular zurück? Hintergründe zu möglichen Risiken hormoneller Verhütung gibt’s auf bfarm.de, der Website des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte.

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