Interview Ry X Zeitjung Heiland

Zum Heiland mit Ry X: „Love is the only thing.“

Ich habe in einem Interview gelesen…

(Ry lacht) Ich habe noch nie eins von diesen Interviews gegeben!

…dass du viel über Selbstwahrnehmung und Selbstbeobachtung nachdenkst. Glaubst du, dass man es damit übertreiben kann und es ein Limit geben sollte?

Ja, es kann zu viel werden! Es kann Sinn machen, wenn du dir einen Teil der Selbstbeobachtung aussuchst und diesen zum Beispiel im Sinne der Meditation umsetzt. Aber ich denke, dass es genauso wichtig ist, sich mit anderen Menschen auseinander zu setzen. Du kannst den ganzen Tag meditieren und sagen „Ich bin ein guter Mensch, ich meditiere den ganzen Tag und produziere keinen Konflikt“, aber du reagierst nicht auf die Welt um dich herum. Ich denke, am schwierigsten ist es, ein guter Mensch zu sein, wenn du unter vielen verschiedenen Menschen bist. Es ist manchmal sehr einfach, wenn du alleine bist – es gibt niemanden, den du verletzen kannst. Aber sobald du draußen in der Welt bist und mit Menschen interagierst, ist es wichtig die Balance zu halten – wenn du immer von Menschen umgeben bist, wirst du abhängig von der Gesellschaft anderer. Ich denke, es ist wichtig zu lernen alleine zu sein!

Vor ein paar Jahren habe ich ein wunderschönes Zitat gelesen: „All of men and women’s problems in the world come from their inability to spend time with themselves in a room alone.

Der Grund weshalb wir also mit anderen Menschen streiten, der Grund, weshalb wir in Konflikte geraten ist, dass wir nicht damit klarkommen, alleine zu sein. Stell’ dir eine wütende Person vor: Sie möchte nicht alleine in einem Raum sein, deshalb wird sie trinken, sie wird etwas tun, einfach nur um zu vermeiden, mit sich alleine zu sein. Wenn diese Person einfach nur alleine da sitzen und lernen würde, sich selbst zu lieben und die eigenen Gefühle wahrzunehmen, dann würde sich diese Wut in Schmerz, dieser Schmerz in Auflösung und die Auflösung in Sanftheit verwandeln.

Durch die vielen Fragen, die du täglich gestellt bekommst, musst du viel über dich selbst nachdenken. Machst du das gerne?

Ich denke, wenn du eine Plattform hast, dann ist es wichtig, wie du sie nutzt. Ich habe Glück, dass ich mit Menschen sprechen darf, dass ich etwas teilen darf und ich denke es ist wichtig, die richtigen Sachen zu teilen. Man könnte es anders machen, man könnte so tun als sei man „Rock’n’Roll“, aber ich weiß nicht ob das echt wäre. Was echt ist, ist wenn man als Künstler eine Plattform bekommt und die wichtigen und guten Dinge nach außen kommuniziert.

Wir finden, dass du das ziemlich gut machst!

Danke!

Gibt es etwas, was du gerne gefragt werden möchtest oder etwas, über das du sprechen möchtest?

Es ist wichtig, dass die Menschen einen Sinn dafür bekommen, dass wir alle gleich sind. Wir haben alle dieselben Bedürfnisse. Das größte menschliche Bedürfnis ist wahrscheinlich Liebe, aufeinander Acht geben, aber darin verlieren wir uns oft. Wenn du Auto fährst und der Fahrer vor dir pisst dich an, weil er auf eine bestimmte Art fährt, die dir nicht gefällt, wirst du wütend. Das unterstützt nur die Idee von ‚Ihnen und Mir’ und verhindert, dass wir verstehen, dass wir eigentlich alle das Selbe wollen.

Gab es einen bestimmten Moment in deinem Leben, in dem du das verstanden hast oder haben dir das deine Eltern und dein Umfeld mitgegeben?

Es ist beides: Meine Mutter ist seit 40 Jahren Yoga-Lehrerin und sie ist fantastisch, auch mein Vater hat ein wunderschönes, poetisches Herz, aber ich denke, ich habe es wirklich verstanden, als ich die Musikindustrie hinter mir gelassen habe. Ich bin weggegangen und habe mehr Zeit damit verbracht, mich mit mir selbst und der Welt zu beschäftigen. Ich habe es wirklich verstanden und viele Texte darüber gelesen, viel meditiert. Wenn du Texte von Menschen liest, die sich viele Jahre mit einem Thema beschäftigt haben, lernst du sehr viel.

Eine der ausschlaggebenden Ideen – jetzt wird es richtig tief – ist die Vergänglichkeit. Keiner von uns wird ewig leben und ich denke, das ändert die Art, wie wir übereinander denken. Das ermöglicht uns, präsenter, friedlicher und glücklicher zu sein. Irgendwo ist da noch die Idee des Loslassens und des Todes und die Tatsache, dass wir immer wussten, dass es irgendwann passieren wird.

Ich denke, all diese Texte haben mir geholfen, mir dieser Dinge bewusster zu sein und mich weniger über unwichtige Dinge aufzuregen. Wenn ich etwas verliere, dann rege ich mich nicht auf. Gleichzeitig sehe ich Menschen, die ausrasten, wenn sie ein Handy verlieren. Für mich ist das eher so: „Ja, okay, ich kann das nicht ändern.“ Wenn jemand etwas klaut, denke ich, dass er es vielleicht einfach dringender gebraucht hat, als ich. Das gibt mir die Perspektive zurück.

Alles, was du sagst, ist unglaublich wahr. Aber meinst du nicht, dass du in einem Zustand bist, in den man erst mal gelangen muss?

Ja, und vor allem musst du dort bleiben. Und das ist wirklich hart. Deswegen macht man Yoga, deswegen liest man, deswegen lernt man. Wenn du gut darin sein willst, dann ist es wie bei einem olympischen Ski-Fahrer: Du musst jeden Tag Ski fahren.

Ry wendet sich an unsere Fotografin.

Wenn du eine gute Fotografin sein willst, dann musst du jeden Tag Fotos machen. Er wendet sich an mich. Je mehr Interviews du machst, desto mehr wirst du sie kontrollieren können. Ich denke, das trifft auch auf Liebe und Beziehungen zu, egal ob es Menschen sind, die du gerade erst getroffen hast, oder dein Partner.

Wir verlieren uns ein bisschen in diesem Thema, man merkt, dass es Ry wichtig ist. Er spricht von seiner Familie, seinen Freunden und seinen Bandmitgliedern. Er stellt fest, dass es schwieriger ist, die Menschen glücklich zu machen, die man liebt.

Bist du dir bewusst, was für eine große Strahlkraft dein Song „Howling“ hat und wie viele Menschen persönliche Erinnerungen und Emotionen mit diesem Song verbinden?

Ich weiß es, weil ich es fühle, wenn ich es spiele. Ich behandele diesen Song, als würde er nicht mehr mir gehören – es ist ein Song, der den Menschen gehört. Die Dinge, die mir die Menschen erzählen und die Bilder, die sie mir senden, bewegen mich. Menschen erzählen mir, dass sie zu dem Song geheiratet haben oder ein Kind gemacht haben. Sie tätowieren sich Songzeilen auf ihre Körper. Ich finde das wunderschön und ich denke, das ist der Grund, weshalb ich all das tue. Es ist auch der Grund, weshalb ich hier bin und Shows spiele, es ist die Ehrlichkeit des Tourens – du verdienst kein Geld, es ist sehr hart, du bist jeden Tag in einer anderen Stadt und fährst hunderte von Kilometern. Auf der Bühne schüttest du dann dein Herz aus, ziehst dich emotional aus, bist nackt und roh und dann musst du dich wieder vollkommen zurückziehen. Du musst den Van wieder beladen und weiterfahren. Mittlerweile sehe ich das mehr als Geben. Wenn du jünger bist, dann ist das mehr eine Ego-Sache, du willst unbedingt auf der Bühne sein und du genießt die Aufmerksamkeit. Für mich ist es jetzt mehr so, dass ich den Menschen etwas geben kann und wenn ich einen Song wie Howling, spiele, dann spüre ich die Energie im Raum und wie die Herzen der Menschen aufgehen. Wenn ich dann die Augen öffne, sehe ich diese Emotionen und die Verbindung der Menschen zu dem Song, von der du gesprochen hast.

Ry ist ein fantastischer Zuhörer und deshalb erzählen auch wir ihm unsere persönliche Geschichte zu seinem Song. Ry ist gerührt und wir auch ein bisschen: „Amazing, that’s so beautiful! See, it’s storys like that, that make my heart fall. It reminds me why I do it!“

Deine Konzerte finden nur an besonderen Orten und in besonderen Hallen statt –  dein Konzert heute Abend im MMA wird von den Hauskonzerte-Boys organisiert und verspricht, ziemlich besonders zu werden. Suchst du alle Venues selbst aus?

Ja, ich wähle alle Konzerthallen selbst aus, sogar diese her. Die Gelegenheit hat sich ergeben und eigentlich sollte es erst eine andere Halle sein, doch es hat mir nicht gefallen, wie sie sich angefühlt hat. Ich liebe es, an besonderen Orte zu spielen. Ich denke einfach, dass der Aufwand, das Geld und die Ressourcen, die in einen Abend und das Touren gesteckt werden, sehr hoch sind und deswegen muss ich sicher sein, dass jeder Abend wunderschön wird. Das ist mir sehr wichtig und deshalb suche ich diese wundervollen Orte aus, was viel Aufwand ist und Energie verbraucht, aber auch das ist, was diese Abende magisch macht.

Zum Schluss haben wir noch fünf große Fragen für dich! Bist du bereit?

Ohhh, die großen Fragen. Ich bin bereit!

Ich bin gut im…

…ehrlich sein. (Meistens)

Ich bin schlecht im…

…ehrlich sein. (lacht) Nein, ich bin schlecht im organisiert sein.

Kreativität ist…

…pur.

Freiheit ist…

…eigentlich alles. Es kann nur die Freiheit sein.

Okay, und jetzt Achtung: Love is…

…oh, wenn Freiheit alles ist, dann ist Liebe das Einzige.