Acht plus Acht gleich Glück?

Donnerstagabend, klassische Barsituation. Bier in der linken Hand, Vodka in der rechten, Herz auf der Zunge. Das Gespräch kommt von allgemeinen Alltagskuriositäten (erster Drink, Wieso tragen eigentlich alle Rentner beige?) auf spezielle Beziehungsphänomene (vierter Drink): Gibt es ein Gesetz, dass zwei Menschen in einer Beziehung immer ein ähnliches Attraktivitätslevel haben müssen?

 

Wenn die Acht mit der Drei Händchen hält

 

„Eine Acht würde man doch niemals mit einer Drei durch die Straßen laufen sehen!“, sagt eine unbestimmte Diskussionsteilnehmerin ohne Namen heftig und nippt an ihrem Astra. Dass bei Grundlagendebatten wie dieser alle Leute auf einer Skala von 1 bis 10 nach ihrem Aussehen bewertet werden, wird dabei als kategorisch vorausgesetzt angesehen und muss hier wohl auch nicht extra erklärt werden. Alles nickt, schweigt, saugt nachdenklich am Flaschenhals.

Man kann es den anderen förmlich ansehen, wie sie jetzt vor ihrem inneren Auge einen Film mit allen Pärchen, die sie kennen, ablaufen lassen. Und nach drei, vier Stichproben überrascht bis befriedigt feststellen: Tatsächlich, die Sieben ist mit einer Sieben zusammen, die Fünf mit einer soliden Vier-Komma-Neun. Die These des hochprozentigen Abends: Beziehungen werden zwischen Menschen mit ähnlichem Attraktivitätslevel beschlossen, Abweichungen vielleicht maximal ein bis zwei Punkte nach oben oder unten auf der Barney-Stinson-Skala. Nüchtern betrachtet: stimmt das? Und falls ja, ist das nicht irgendwie total unromantisch?

 

Die strahlende Rose und der Sauerampfer

 

Die erste selbsternannte, aber dennoch hochplausible Erklärung für den (un-)attraktiven Einheitsbrei ist diese: Ist der Andere in einer Beziehung viel schöner als man selbst, fühlt man sich daneben dauernd schlecht, muss sich vor anderen ständig mit inneren Werten und Schokobrownies rechtfertigen und wird von Selbstzweifeln à la „Was will so jemand schon mit mir“ zerfressen. Ist man selber die strahlende Rose und der Partner eher so der Typ zertrampelter Sauerampfer, kämpft man ständig mit dem – nicht zuletzt von der Gesellschaft produzierten – Gefühl, sich unter Wert verkauft zu haben. Und das nagt am Fundament der Beziehung wie hartnäckiger Asbest.

Ja, die Liebe ist ein knallhartes Wirtschaftssystem und der Markt ein bissiger Tauschhandel, auf dem gilt: Das Angebot bestimmt die Nachfrage. Es ist sicher möglich, dass Beziehungen, gerade wenn sie noch frisch sind, am gesellschaftlichen Druck zerbrechen. Aussehen ist definitiv ein gesellschaftlich messbarer Faktor. Und viele stoßen sich eben daran, wenn Attraktivität bei einem Paar auffallend ungleich verteilt ist. Ist der Typ hässlich, wird zum Beispiel gleich geflüstert, oh, der muss wohl ziemlich viel Kohle haben. Was er der hübschen Muschel an seinem Arm wohl versprochen hat für ein bisschen gemeinsame Zeit? Dass die zwei vielleicht einfach gerne zusammen sind, weil sie eine Leidenschaft für Frettchen und strange Neuseeland-Dokus teilen, will natürlich keiner glauben. Jeden Tag wird das Paar mit dem Gefühl konfrontiert, dass da was nicht stimmt. Bis es das irgendwann selber glaubt.

 

Je ähnlicher zwei Partner, desto glücklicher ist ihre Beziehung

 

Die Soziologin Dr. Ina Grau sagt: „Je ähnlicher zwei Partner, desto glücklicher ist ihre Beziehung.“ Und das gilt auch für äußere Werte: Eine Studie ließ Probanden Gesichter nach ihrer Attraktivität bewerten – diese wussten nicht, dass sich unter den Fotos auch ein Gesicht des anderen Geschlechts befindet, das nach ihren eigenen Zügen erstellt wurde. Man will es angesichts der trendigen und lang geübten low self esteem–Inszenierung kaum glauben, aber die meisten bewerteten dieses Bild am besten – also ihr eigenes. Das würde erklären, warum man sich einen Partner sucht, der ähnlich aussieht wie man selbst und damit ähnlich attraktiv ist: Weil man sich selber am geilsten findet. Als einzige Motivation aber reicht das noch nicht.

Es geht schließlich nicht um Paare, die aussehen wie Geschwister. Das schleicht sich bei einer sehr langen Beziehung wahrscheinlich eher in einer Art Assimilationsprozess ein – erst genderunspezifische Hipsteruniform, dann schlammfarbene Multifunktionshosen und atmungsaktive Anoraks von Jack Wolfskin im Doppelpack, ihr kennt das. Aber hier geht es um einfache Mathematik: Vier plus Vier ist möglich, Neun plus Neun auch, Acht plus Drei eher nicht.

 

Der Realitätssinn braucht keinen Taschenrechner

 

Ist das nicht total unromantisch? Impliziert das nicht, dass man sich seinen Partner nicht aussucht, weil diese unbestimmte Substanz zwischen einem knistert, sondern dass man einfach das bestmögliche Objekt nimmt, das man sich mit seinen eigenen Mitteln leisten kann? Der Partnermarkt, ein brutaler Viehhandel.

Vielleicht ist die Liebe unbewusst realistischer, als wir glauben. Vielleicht braucht unser Gefühl keinen Taschenrechner, um dir, einer potenziellen Neun (gern geschehen) von einer Zukunft mit einer Fünf abzuraten. Der Realitätssinn macht das im Kopf. Und wir glauben es einfach, ohne nochmal nachzurechnen. Vielleicht ist das ein Fehler.

 

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Bildquelle: Unsplash unter CC0 1.0