Nenn‘ mich nicht taktlos, du Arschloch!

Von Rebecca Naunheimer

Als ich der Band euphorisch Beifall klatsche, werde ich ausgelacht. „Du bist ja null im Takt!“ Höhö. Unfassbar lahme Witzeleien dieser Art begleiten mich schon seit Lebzeiten, denn Rhythmus und ich – wir können nicht so gut miteinander. Ich kann nicht im Takt klatschen. Ich kann nicht im Takt tanzen. Ich kann in der Bahn nicht lässig mit dem Fuß zu meiner Musik wippen. In der Schule hat mein Musiklehrer die Klanghölzer vor mir in Sicherheit gebracht. Versuche ich dieses ernstzunehmende Defizit zu erklären, ernte ich meist Unverständnis. Und noch mehr Spott.

Aber jetzt seid ihr dran, ihr selbstgefälligen Beat-Cracks! Denn eine Studie der Universität von Montreal liefert endlich eine wissenschaftlich fundierte Rechtfertigung für alle, denen es genauso geht wie mir. Zunächst einmal hätten wir da einen ziemlich überzeugenden Fachbegriff, der allen taktkonformen Hampelmännern auf der Tanzfläche das Mitleid ins Gesicht hämmern wird: Die Forscher sprechen von „Beat Deafness“, der Rhythmus- und Takttaubheit.

 

„Sorry, das wusste ich nicht! Ist ja voll schlimm!“

 

Sollte die rohe Gewalt dieses Fachbegriffes noch nicht ausreichen, könnten ein paar Details zur „Beat Deafness“ ihr Übriges tun. Grund für ein fehlendes Rhythmusgefühl ist, laut der Studie, dass solche Menschen an ihrem „inneren Rhythmus“ festhalten, wie die „Welt“ die Studienergebnisse zusammenfasst. Dieser innere Rhythmus basiert auf dem Takt, in dem unser Gehirn arbeitet. Das nennt man die „neurale Oszillation“ oder die „neurale Schwingung“. Aber auch der eigene Herzschlag und die Atemfrequenz tragen dazu bei. Diesen inneren Taktgeber hat jeder. Doch was für die meisten Menschen seit der Geburt normal ist, nämlich sich für eine bestimmte Zeit vom inneren Rhythmus zu lösen und den Körper einem externen Takt anzupassen, das ist bei Menschen wie mir gestört.

„Ich bin beat deaf, du Arschloch!“, werden wir dem Spott der Im-Takt-Tänzer und Rhythmisch-Klatscher also in Zukunft wutentbrannt sagen. Sie werden daraufhin den Blick senken, „Sorry, das wusste ich nicht! Ist ja voll schlimm!“, säuseln und sich den ganzen Abend für diese Diskriminierung schämen. Ha!