Frauenzeitschriften: Das Klischee im Regal

Neulich war es wieder soweit. Sie lachte mich an. Ihre Augen glitzernd, ihre Zähne reinweiß, ihr fettfreier Körper bestens in Szene gesetzt. „In einer Woche zum perfekten Summer-Body!“, versprach sie mir. Ich, geblendet von so viel Perfektion und Weisheit, glaubte ihr. Und legte sie neben meine Tiefkühlpizza auf das Band der Supermarkt-Kasse.

Der Feminismus ist präsenter denn je, auch wenn die WELT-Chefkackbratze Ronja von Rönne das nicht so sieht. Er zeigt sich, wenn Emma Watson in ihrer Funktion als UN-Botschafterin ihre HeForShe-Kampagne präsentiert. Und dann, wenn Carolin Kebekus im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Pussyterror macht und über den After-Baby-Body herzieht. Der Feminismus lebt, weil er in die Mitte der Gesellschaft gerückt ist. Weil nicht mehr nur vermeintlich ungefickte Mannsweiber darüber reden wollen, sondern auch Männer wie John Oliver. Weil Gleichberechtigung sexy ist und weil wir darüber diskutieren möchten, wie fair 22 Prozent weniger Lohn tatsächlich sind.

An all das dachte ich, während das Band schnurrend Richtung Kassiererin fuhr und mich die magere Milchschnitte auf dem Titelbild der Zeitschrift herausfordernd angrinste. Ich schämte mich. Immerhin hatten Auguste Schmidt und Clara Zetkin und all die anderen feministischen Widerständler jahrelang hart dafür gekämpft, mehr als nur das hübsche Hausweib am Herd zu sein. Und ich war im Begriff, dieses Erbe zu zerstören. Weil ich unbedingt wissen wollte, wieso schräge Bauchmuskeln so wichtig für die Bikini-Figur sind. No way! Befriedigt schmiss ich die Zeitschrift vom Band. Ich fühlte mich gut und sehr feministisch. Als ob ich mein Hirn mit so einem grenzdebilen Ramsch zumüllen müsste!

Als ich besagte Zeitschrift am nächsten Tag im Wartezimmer meines Zahnarztes liegen sah, las ich sie natürlich trotzdem.

„Wenig seriös, irrelevant und nicht ernstzunehmend“

 

Wenn man Frauen fragt, ob sie solche Magazine lesen, verneinen die meisten pikiert. Das sei ein ganz typisches Phänomen, sagt Dr. Kathrin Friederike Müller, Genderforscherin an der Universität Münster. „Frauenzeitschriften sind eben immer noch ein Medium, das stigmatisiert ist“, meint sie. „Das heißt, Frauenzeitschriften sind schon immer als wenig seriös, irrelevant und nicht ernstzunehmend bewertet worden. Das wissen die Leserinnen und geben deshalb nicht gerne zu, dass sie sie lesen.“ Frauenzeitschriften sind ein bisschen wie Pornos: Fast jeder nutzt sie, aber irgendwie will niemand darüber sprechen.

Wer schon mal eine dieser Zeitschriften aufgeschlagen hat, wundert sich nicht, wieso sie als „wenig seriös“ abgetan werden. Sie alle tragen moderne Frauennamen (BETTY klingt nunmal besser als HANNELORE), die optische Gestaltung ist bei vielen Magazinen fast identisch (anorektisches Covermodel, neonfarbene Überschriften in zehn verschiedenen Schriftarten), und eigentlich lässt sich der Inhalt jeder Ausgabe auf vier Bereiche herunterbrechen.

Themenbereiche, die sich in jeder Frauenzeitschrift finden:

 

-Lebenswichtige News von Promis und/oder Monarchen. Entweder hat sich Britney mal wieder den Kopf rasiert, oder ein wahllos ausgewählter Fußballstar hat sich eine neue Fickstelze geangelt, oder irgendeine Adelsfamilie schockiert durch geleakte Nacktfotos der Großmutter. Hauptsache, es gibt jede Woche einen Skandal.

-Einige wenig schmackhafte, dafür aber angeblich sehr gesunde Rezepte, die das Abnehmen „super lecker und super easy“ machen sollen. Kombiniert mit dreieinhalb Übungen, mit denen man seinen Hintern auch im Büro trainieren kann, verliert man so mindestens ein Kilo pro Tag! Was gut ist, denn die Diät aus dem letzten Heft hat auch nicht besonders toll funktioniert.

-Eine Modestrecke, die die neuesten Trends präsentieren soll, deren Sponsor aber ganz offensichtlich eine große Modefirma war. Dass jede Woche etwas anderes zum „Must-have“ erklärt wird (weil der Geldgeber wechselt und statt A&B diesmal C&D den Inhalt finanziert), stört dabei niemanden.

-Ein Sexratgeber, der offensichtlich vom präpubertären Praktikanten geschrieben wurde und entweder eine DIY-Anleitung für den perfekten Blowjob oder drei bahnbrechende, leicht schockierende und nie dagewesene Tipps für den gelungenen weiblichen Orgasmus vorstellt (1. Entspannen Sie sich! 2. Lassen Sie sich Zeit! 3. Denken Sie an Brad Pitt!). Außerdem: zwei neue Sexspielzeuge, die man in dieser Saison haben muss und die man im subtil gefeatureten Online-Shop auch gleich erwerben kann.

Das Geschlecht im Mittelpunkt

 

Wenn alles den selben Inhalt hat, weshalb kaufen wir dann diesen Bullshit? Ein Blick ins Zeitschriftenregal genügt, um vor der schieren Menge an Frauenzeitschriften zurückzuschrecken. Drei der 25 auflagenstärksten Zeitschriften in Deutschland sind Frauenmagazine, die Illustrierten nicht mitgerechnet. Allein von Tina  wurden im ersten Quartal 2015 rund 450.000 Exemplare verkauft. „Man kann anhand von Frauenzeitschriften sehen, was gerade der ‚common sense‘ ist, was die Zielgruppe als Normalität, Idealbild oder gelungenen weiblichen Lebensentwurf sieht“, so Dr. Müller. „Dass es dabei in einer klischeehaften Art und Weise darum geht, was Weiblichkeit ausmacht und wie Frauen definiert werden, ist klar. Denn Frauenzeitschriften spitzen sich immer wieder auf den Aspekt zu, dass das Geschlecht im Mittelpunkt steht.“

Die konstruierte Weiblichkeit wird übrigens von Frauen gelenkt. Brigitte, Tina, Cosmopolitan: in der Chefetage sitzt immer eine Frau. Wer also die bösen Männer für klischeehafte Darstellungen verantwortlich machen will, liegt falsch. Apropos Männer: Wie kommt es, dass für die maximal die Men’s Health im Regal liegt? Und wieso haben Männerzeitschriften immer so stylische Namen? „Hast du dir schon den neuen Ralf  gekauft?“ „Nee, ich hab den letzten Jürgen noch nicht durch!“ Das ist doch mal eine Konversation, die ich hören möchte!

Mehr Inhalt, weniger Stigma

 

Die Wahrheit ist doch, dass wir alle ab und an zu einer dieser Zeitschriften greifen. Sei es nun aus reiner Neugier oder aus alter Gewohnheit. Das ist nichts, wofür man sich schämen müsste. Wenn diese Zeitschriften allerdings weiterhin die größtmögliche Zielgruppe ansprechen möchten, sollten sie auch ihren Inhalt erweitern. Ich will mehr lesen als das übliche Mode-Sex-Rezepte-Promi-Blabla. Ich will kein vermeintliches „Idealbild“ einer Frau auf dem Titelbild sehen, sondern echte, reale Menschen mit Makeln. Und ich will nicht auf Seite drei gesagt bekommen, dass ich gut bin, so wie ich bin, dann aber auf Seite fünf lesen, dass mein Body „ready for summer“ gemacht werden muss. Kann das denn so schwer sein?

Zum Abschluss möchten wir euch diesen grandiosen Tumblr-Fund nicht vorenthalten. Thank you, internet.

Overanalyzing Magazin

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Bildquelle: Pedro Ribeiro Simões unter CC BY 2.0, Tumblr