Fachkräftemangel: Wie realistisch ist die 4-Tage-Woche?

Auch die Lokführergewerkschaft ist auf den Geschmack gekommen: Sie fordern eine 4-Tage-Woche. Doch schon jetzt leidet die Bahn unter einem Fachkräftemangel. Ähnlich sieht es auch in anderen Branchen aus, trotzdem liegt die 4-Tage-Woche voll im Trend.

In den aktuellen Tarifrunden zwischen der Lokführergewerkschaft GDL und der Deutschen Bahn geht es wieder einmal heiß her. Die Gewerkschaft fordert unter anderem eine Lohnerhöhung von mindestens 555 Euro, eine steuerfreie Inflationszahlung von 3.000 Euro und auch verkürzte Arbeitszeit, um genau zu sein: eine 4-Tage-Woche. Dabei hat die Deutsche Bahn bereits einen großen Fachkräftemangel. Der Bahn fehlen 3.700 Lokführer*innen, bei einer 4-Tage-Woche würden der Bahn insgesamt 10.000 Fachkräfte fehlen, so eine Einschätzung des Instituts der deutschen Wirtschaft. Wie vereinbar ist der Traum von der 4-Tage-Woche mit der Realität?

Zuerst muss klar sein, von welcher 4-Tage-Woche die Rede ist. Es gibt nämlich verschiedene Modelle. Relativ simpel ist die 4-Tage-Woche mit angepasstem Lohn. Man arbeitet also weniger, wird aber auch weniger bezahlt. Diese ist vor allem in Zeiten der Inflation wohl kaum im Interesse vieler Arbeitnehmer*innen. Meist ist die Rede von einer 4-Tage-Woche mit etwa 32 Arbeitsstunden und dabei vollem Lohnausgleich, diese wird auch von der Lokführergewerkschaft gefordert. Die Arbeitstage schrumpfen von fünf auf vier Tage, der monatliche Lohn bleibt gleich, aber wer macht die restliche Arbeit?

80 Prozent Zeit, 100 Prozent Produktivität

Laut vielen Expert*innen bliebe keine Arbeit liegen, denn die Produktion würde bei einer 4-Tage-Woche ansteigen. Sie nennen es den 100-80-100 Ansatz: 100 Prozent Gehalt, 80 Prozent Arbeitszeit und 100 Prozent Produktivität. Diesen Ansatz bestätigte auch eine Studie in Großbritannien. 61 Unternehmen mit fast 3.000 Mitarbeiter*innen testeten für ein halbes Jahr die 4-Tage-Woche. Nach den sechs Monaten fühlten sich 39 Prozent der Arbeitnehmer*innen weniger gestresst und 71 Prozent hatten am Ende des Versuches ein geringeres Burnout-Risiko. Ganze 56 von 61 Unternehmen hielten auch nach dem Versuch an der 4-Tage-Woche fest. Aber wie übertragbar ist dieses Modell auf einen Betrieb, der 24/7 und in Schichten arbeitet?

Busfahrer*innen, Krankenpfleger*innen oder Polizist*innen werden täglich und rund um die Uhr gebraucht. Selbst wenn die Produktivität ansteigt, muss am Freitag der Bus fahren und Kranke müssen versorgt werden. Würden also Krankenhäuser auf eine 4-Tage-Woche umsteigen, müssten sie gezwungenermaßen weitere Mitarbeiter*innen einstellen. Aber schon jetzt können knapp 540.000 Stellen in Deutschland nicht besetzt werden. In jedem sechsten Beruf in Deutschland gibt es einen Mangel an Fachkräften. Und bis 2035 sollen mehr als sieben Millionen Erwerbstätige den Arbeitsmarkt verlassen, gleichzeitig kommen zu wenig nach.