Das Touched-Out-Syndrom bei Müttern: Wenn die Nähe erdrückend wird
In der Welt der Mutterschaft ist das Touched-Out-Syndrom ein häufiges, aber selten besprochenes Phänomen. Es beschreibt das Gefühl der Erschöpfung und Überwältigung, das entsteht, wenn Mütter kontinuierlich und intensiv körperlich beansprucht werden, insbesondere durch die ständige Nähe zu ihren Kindern.
Gerade als frischgebackene Mutter gibt es viele Dinge, die einen am Anfang absolut überfordern: die überwältigende Liebe für das Kind genauso wie die manchmal erdrückende Verantwortung für dieses kleine Leben. Die körperlichen Veränderungen direkt und einige Zeit nach der Schwangerschaft und der Hormoncocktail in den ersten Tagen nach der Geburt. Die komplette Neuausrichtung des „alten“ Lebensrhythmus und auch das ständige Hintanstellen der eigenen Bedürfnisse.
Das natürliche Bedürfnis nach Nähe
Gerade ein Neugeborenes und sowie ein Baby im ersten Lebensjahr ist von Natur aus auf Körperkontakt zur Mutter angewiesen, denn er bietet Wärme, Nähe, Geborgenheit, Schutz und Nahrung. In den ersten zwei bis drei Lebensmonaten nimmt der kleine Erdenbürger sich zudem noch nicht als eigenständiger Organismus wahr, sondern empfindet sich noch immer als Teil der Mutter, in dessen Körper er ja die Monate zuvor verbracht hat. Stimme, Herzschlag und nach der Geburt auch Geruch geben dem Neugeborenen also die Gewissheit, dass es da ist, wo es hingehört: Bei seiner Mutter.
Dieses ständige Bedürfnis nach Nähe beruht nach der Geburt auf Gegenseitigkeit und hält normalerweise einige Zeit an. Dennoch kann sich bei manchen Müttern irgendwann ein Zuviel an körperlicher Nähe negativ auf die psychische Gesundheit auswirken. Dies bezeichnet man als Touched-Out- oder Overtouched-Syndrom.
Das Touched-Out-Syndrom tritt oft bei Müttern von Kleinkindern auf, kann aber in jeder Phase der Mutterschaft vorkommen. Es ist gekennzeichnet durch ein Bedürfnis nach persönlichem Raum und Zeit, fern von der ständigen körperlichen Anforderung durch das Kind.
Die Ursachen sind vielfältig und können von individuellen Faktoren wie Persönlichkeitstyp und Lebensumständen bis hin zu externen Faktoren wie gesellschaftlichem Druck und fehlender Unterstützung reichen. Eine besondere Rolle spielen dabei der ständige körperliche Kontakt beim Stillen oder Tragen des Kindes und das gemeinsame Schlafen.
Symptome und Anzeichen
Die Symptome reichen von Müdigkeit und Erschöpfung über Reizbarkeit bis hin zu einem Gefühl der Überforderung. Viele Mütter berichten auch über eine Abneigung gegen weitere Berührungen, sogar von ihrem Partner, und eine allgemeine Sehnsucht nach dem Alleinsein.
Die ständige körperliche Beanspruchung kann zu Stress, Angstzuständen und in einigen Fällen zu Depressionen führen. Das Gefühl, nicht genug Raum für sich selbst zu haben, kann das Selbstwertgefühl und die allgemeine Lebenszufriedenheit beeinträchtigen.
Das Touched-Out-Syndrom wird oft durch die idealisierte Darstellung der Mutterschaft in den Medien und der Gesellschaft verschärft. Der Druck, stets eine liebevolle und geduldige Mutter zu sein, kann das Gefühl der Isolation und Unzulänglichkeit verstärken.
Was hilft beim Touched-Out-Syndrom?
Zur Bewältigung des Touched-Out-Syndroms ist es wichtig, regelmäßige Auszeiten für sich selbst zu planen und diese auch einzuhalten. Das kann einfache Aktivitäten wie ein entspannendes Bad, das Lesen eines Buches oder einen Spaziergang umfassen. Ebenso wichtig ist es, mit dem Partner oder der Familie über die eigenen Bedürfnisse zu sprechen und Unterstützung anzunehmen.
Ein unterstützendes Umfeld kann einen großen Unterschied machen. Die Einbeziehung des Partners oder anderer Familienmitglieder in die Betreuung des Kindes kann Müttern helfen, die benötigte Auszeit zu bekommen. Professionelle Unterstützung, wie Beratung oder Müttergruppen, kann ebenfalls sehr hilfreich sein.
Das Touched-Out-Syndrom ist ein komplexes und tiefgreifendes Problem, das mehr Aufmerksamkeit verdient. Indem wir ein Bewusstsein dafür schaffen und Unterstützungsnetzwerke stärken, können wir Müttern helfen, dieses Syndrom zu bewältigen und ein gesünderes Gleichgewicht in ihrem Leben zu finden.
Die Anerkennung und das Verständnis des Touched-Out-Syndroms sind entscheidende Schritte, um Mütter in ihrer Rolle zu stärken und ihre psychische Gesundheit zu schützen. Ein offener Dialog und eine Kultur der Unterstützung sind der Schlüssel, um das Wohlbefinden von Müttern und Familien zu fördern.
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