YouTuber Louis Rossmann

Ein 28 Jahre altes Maskottchen von Microsoft wird jetzt zum Symbol gegen gierige Megakonzerne

Habt ihr in letzter Zeit mal auf die Profilbilder von YouTube-Nutzer*innen geachtet? Dann habt ihr sie vielleicht schon gesehen: Büroklammern mit Glubschaugen, und zwar dutzende davon. Was nach einem witzigen neuen Trend aussieht, ist in Wahrheit ein Zeichen des Widerstands gegen Megakonzerne.

Wer schon mal einen alten Windows-PC hatte, dem dürfte diese Büroklammer bekannt sein. Es handelt sich dabei um Clippit, die meisten Leute kennen ihn aber wohl eher unter dem Spitzname Clippy (in der deutschen Version heißt er übrigens Karl Klammer). Abgeleitet ist sein Name von paperclip, dem englischen Wort für Büroklammer.

Clippy tauchte zum ersten Mal im Jahr 1997 mit der Veröffentlichung von Microsoft Office 97 auf und war damals standardmäßig aktiviert. Die kleine Büroklammer war schon euer Assistent, lange bevor es sowas wie die heutigen KI-Chatbots gab. Clippy meldete sich mit Ratschlägen, je nachdem, was ihr gerade macht. Sitzt ihr gerade an einem Brief oder einer E-Mail, gibt euch Clippy Tipps, wie ihr die Anrede formuliert – solche Sachen.

Als Assistent war Clippy nie sonderlich beliebt. Das ist auch der Hauptgrund, aus dem sich Microsoft ab der Version Office 2007 von ihm getrennt hat. Trotzdem ist die Büroklammer mit der Zeit zu einer kleinen Ikone geworden. Und jetzt buddeln Leute sie wieder aus, um sich gegen die dubiosen Praktiken von Megakonzernen aufzulehnen.

Angefangen hat alles mit einem YouTube-Video

Der US-Amerikaner Louis Rossmann ist Gründer und Besitzer eines unabhängigen Reparatur-Shops. Zudem ist er ein wichtiger Teil der „Right to Repair“-Bewegung. Diese lehnt sich gegen die gängige Praxis vieler Hersteller auf, elektronischen Geräte so zu konzipieren, dass sie möglichst schwer zu reparieren sind. Geht etwas kaputt, ist man so dazu gezwungen, sich ein neues Gerät holen. Ist das verschwenderisch? Ja, aber so verdienen Konzerne eben mehr Geld, als wenn Leute jahrelang das gleiche Gerät verwenden.

Louis Rossman hat auch einen YouTube-Kanal mit 2,39 Millionen Abonnent*innen. Am 8. August 2025 lud er dort ein Video hoch mit dem Titel „Change your profile picture to clippy. I’m serious“ – also „Ändere dein Profilbild zu Clippy. Ich meine es ernst“. In diesem Video geht es um Megakonzerne und die dreisten Mittel, zu denen sie greifen, um mehr Geld zu machen – und mit denen wir sie einfach davonkommen lassen. 

So habe Meta seine Werbepartner über die depressiven Zustände von Teenager*innen auf der Plattform informiert, um das Timing von Werbung zu „optimieren“. Dies berichtete Sarah Wynn-Williams, die früher bei Meta gearbeitet hat, im April 2025. 

Löschte eine Teenagerin ein Selfie von sich, konnte es passieren, dass Facebook eher Werbung für Beauty-Produkte schaltete. Sorgen um Body Confidence könnten dazu führen, dass sie Werbung für Gewichtsverlust bekommt. 

Meta habe erkannt, dass Nutzer*innen zwischen 13 und 17 Jahren eine verletzliche, aber auch „sehr wertvolle“ Gruppe für Werbetreibende darstellte, was diese Praxis befeuert habe. Wynn-Williams selbst soll gegenüber einem Executive von Meta argumentiert haben, dass ein 3 Billionen Dollar schwerer Konzern es gar nicht nötig habe, für die paar zusätzlichen Einnahmen zu solchen Mitteln zu greifen.

„Ich würde sagen: ‚Oh, hat Ihr Teenager schon das neue Produkt ausprobiert, das wir gleich auf den Markt bringen?‘“, erzählte sie. „Und sie antworteten: ‚Meine Teenager dürfen kein Facebook nutzen. Mein Teenager ist nicht auf Instagram.‘ Diese Führungskräfte … sie wissen es. Sie wissen, welchen Schaden dieses Produkt anrichtet … Die Heuchelei zieht sich durch alle Ebenen.“ – Sarah Wynn-Williams (via Dataconomy)

Meta erwiderte in einem Statement, dass diese Vorwürfe „realitätsfern und voller falscher Behauptungen“ seien. Dieses Beispiel ist aber auch nur eines von vielen, die laut Rossmann zeigen, wie kundenfeindlich Unternehmen inzwischen sein dürfen.

„Clippy wollte einfach nur helfen“

Rossmann weist auch darauf hin, dass Unternehmen früher bereits für viel „kleinere“ Vergehen belangt wurden, zumindest aus heutiger Sicht.

Ich bin in den 90ern aufgewachsen, einer Zeit, in der Microsoft Hölle und Verdammnis über sich ergehen lassen musste, weil sie einen Webbrowser mit ihrem Betriebssystem gebündelt hatten.

Louis Rossman (YouTube)

Und an dieser Stelle kommt nun endlich Clippy ins Spiel. Denn ganz egal wie nervig man die Büroklammer fand: „Anders als Facebook, das versucht, von jungen Mädchen zu profitieren, die Suizidgedanken haben, wollte Clippy einfach nur helfen“, sagt Rossmann.

Clippy war nicht da, um dich auszuspionieren und deine Daten an Werbetreibende zu verschachern. Clippy hat auch nicht versucht, dir weitere Produkte von Microsoft anzudrehen – Clippy hatte keine versteckten Absichten.

Maskottchen eines Megakonzerns wird zum Symbol des Widerstands

Rossmann ruft daher in seinem Video zu einer Art stillen Protest auf. 

  • Schluss damit, dass Firmen deinen Zugang zu bereits gekauften Produkten beenden können, wenn du nicht erneut dafür bezahlst? „Wechsle dein Profilbild zu einem Clippy“
  • „Kein Bock mehr, ständig Porno-Bots auf YouTube zu haben, während Creator*innen ganz genau aufpassen müssen, was sie gerade sagen oder zeigen, damit sie nicht demonetarisiert werden? „Wechsle dein Profilbild zu einem Clippy“
  • Hast du es satt, Unternehmen ganz offen sagen zu hören, dass du deine Sachen nicht reparieren darfst, weil sie daran nichts verdienen? „Wechsle dein Profilbild zu einem Clippy“

Dieses Video hat über 4,2 Millionen Aufrufe auf YouTube generiert und viele Nutzer*innen sind seinem Aufruf gefolgt. Nicht nur unter diesem Video, sondern auch in den Kommentaren unter vielen anderen seht ihr Clippy – meist klassisch, manchmal leicht angepasst. Eins bleibt aber immer gleich: Clippy will einfach nur helfen.

Rossmann veröffentlichte übrigens ein zweites Video dazu auf YouTube.

Bildquelle: YouTube