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Weight Watchers auf Tinder: Wie übergriffig kann Werbung sein?

Das Unternehmen Weight Watchers schaltete vor kurzem eine Werbeaktion mit dem Promi-Fotografen Paul Ripke. Auf der Dating-App Tinder wurde Frauen dabei ohne deren Konsens ein Programm zum Abnehmen vorgeschlagen. In den sozialen Medien wurde die Aktion scharf kritisiert.

Egal wo: Überall wird man (oder eher Frau) mit diversen Abnehm-Methoden und Diäten konfrontiert. Ob beim Scrollen durch den Instagram Feed oder dem Durchblättern eines Magazins. Entkommen kann man dem Abnehmwahn kaum. Selbst auf Dating-Apps scheint man nicht sicher zu sein.

Das Unternehmen Weight Watchers (kurz: WW) startete vor nicht allzu langer Zeit eine Werbeaktion, die für ordentlich Kritik am Konzern gesorgt hat. Zusammen mit dem Promi-Fotografen Paul Ripke, welcher bis dahin als Werbebotschafter für WW arbeitete, legten sie ein Fake-Profil auf der Dating-App Tinder an. Ripke gab sich auf diesem Profil als „angehender Meisterkoch, Fotograf und Podcaster“ aus. Über sich selbst schrieb er, dass er „Bock auf Abwechslung“ hat und gerne neue Rezepte ausprobiert. Am Ende seiner Tinder-Bio steht: „Hast du auch Lust auf gesunde Gewohnheiten? Dann lass uns mal zusammen kochen.“ – Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Kurz nach dem Match folgte dann die Enttäuschung. Denn auf einmal hieß es nicht „Du und Paul Ripke habt ein Match“, sondern: „Du und Weight Watchers habt ein Match.“ Prompt erhielten die Frauen auch schon die erste Nachricht, in der es hieß:

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Den Link zu einem Abnehmprogramm gab es inklusive.

Wer trägt die Schuld?

Viele Frauen empfanden diese Aktion als sehr übergriffig und ließen ihrer Wut in den sozialen Medien freien Lauf. Ripke wusste angeblich nichts von der Werbeaktion. Zwar habe er diverse Werbekampagnen zusammen mit WW geplant, jedoch scheinen diese vom Endprodukt abzuweichen. In seiner Instagram-Story schrieb er, es sei sowohl ein anderes Foto als auch ein anderer Text genutzt worden. Nachdem er von der Werbeaktion erfuhr, bat er WW darum, diese sofort zu stoppen – was das Unternehmen auch tat.

Ripke scheint sich jetzt aus der Affäre ziehen zu wollen. Angeblich soll das Profil primär übergewichtige Frauen anvisiert haben. Ripke streitet dies ab und sagt zudem, dass „die Werbung als solche deklariert [war]“. Dass es sich dabei jedoch lediglich um ein winziges Logo auf einem der Bilder auf dem Profil handelte, erwähnt er nicht. Er gibt zu: „Dennoch war die ganze Werbung, die WW da geschaltet hat, eine dumme Idee.“

Damit hat er durchaus recht. Allerdings stellt sich die Frage, warum das niemandem vorher aufgefallen ist? Schließlich arbeitet oftmals eine ganze Abteilung an der Erstellung von Werbekampagnen. Dass dort niemandem vorher in den Sinn gekommen ist, wie die Aktion bei der Zielgruppe ankommen könnte, scheint recht unglaubwürdig. Zumal die Zielgruppe allein aus Frauen bestand, welche ohnehin öfter mit dem Thema Gewichtsverlust konfrontiert werden. Viel wahrscheinlicher ist es, dass das Unternehmen nach dem Motto „schlechte PR ist besser als gar keine PR“ gehandelt hat.

Ein Gewinn für die Diätkultur

Eine ständige Auseinandersetzung mit Themen wie Diäten und dem Abnehmen (gerade, wenn dies ungewollt geschieht) kann schnell zu Problemen führen. Mit der Werbeaktion hat WW der heutigen Diätkultur direkt in die Hände gespielt.

Generell ist Diätkultur als problematisch zu betrachten, da sie Schlankheit als moralisch übergeordnet einstuft und Schlankheit mit Gesundheit gleichsetzt. Durch Diätkultur wird propagiert, dass jeder Mensch dieses Ideal von Schlankheit und Gesundheit erreichen sollte und kann, wenn man dabei nur richtig vorgeht. (Mehr zum Thema Diätkultur kannst du hier lesen.)

Diätkultur spricht also nicht nur diejenigen an, die eine Diät halten, sondern uns alle. Und wir alle werden auch ständig davon beeinflusst. Dauerhaft diesem toxischen Umfeld ausgesetzt zu sein, kann unter anderem zur Körperdysmorphen Störung führen. Betroffene nehmen den eigenen Körper stark verzerrt wahr. Weitere Folgen können Essstörungen und andere mentale Probleme sein. Zudem kann Diätkultur bei manchen Menschen extreme Scham- und Schuldgefühle auslösen.

WW hat mit besagter Werbung gezielt Frauen angesprochen und indirekt zum Ausdruck gebracht, dass diese ein Abnehmprogramm benötigen könnten, wenn sie auf der Reise zu „einem gesunden Lebensstil“ sind. Dass Gesundheit und eine kleine Zahl auf der Waage nicht unbedingt in Verbindung miteinander stehen, wurde vollkommen außen vor gelassen.

Das Unternehmen selbst meldete sich über Instagram zu Wort: „Wir bitten alle Personen, die wir durch unsere Tinder-Werbung verletzt oder irritiert haben, um Entschuldigung. […] Für diese grobe Fehleinschätzung von unserer Seite übernehmen wir die volle Verantwortung – auch gegenüber unserem Partner Paul Ripke. […] Wir arbeiten unsere Fehler aktuell auf und ziehen daraus kurzfristig wie zukünftig weitere Konsequenzen.“ Wie genau diese Konsequenzen aussehen, wurde dabei jedoch nicht spezifiziert.

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