Asexualität Kolumne

Stellungswechsel: Was wir von Asexuellen über Sex lernen können

Sex und Feminismus, das passt nicht zusammen? Doch, wie unsere Kolumne „Stellungswechsel“ beweist. Nadine Kroll befasst sich mit den Fragen, die junge Menschen und speziell Frauen, die gerade ihre Sexualität entdecken, ganz besonders beschäftigen. Es geht um gesellschaftlichen Wandel, Selbstbestimmtheit, neugewonnene Freiheiten, Frauenrechte und natürlich ums Ficken, kurz: um sexpositiven Feminismus und darum, dass sich niemand für seinen Körper oder seine Vorlieben schämen muss.

Sex ist überall. Auf den Werbeplakaten der Supermärkte, in denen wir einkaufen gehen. In unserer Schullektüre und dem Biologiebuch, in der Musik, die wir auf dem Weg zur Arbeit hören, in Serien und Filmen, die wir am Abend oder am Wochenende auf Netflix bingen, auf Instagram, wenn wir durch unseren gut sortierten Feed scrollen und natürlich in unseren Schlafzimmern, sei es, weil dort unsere Partner auf uns warten, oder wir es uns mit Toys und Pornos im Bett bequem machen, um nach einem langen Tag zu masturbieren.

Für die meisten von uns ist das ganz normal und nicht weiter schlimm. Es gibt jedoch auch Menschen, die diesem ganzen „Sex-Ding“ überhaupt nichts abgewinnen können – weder auf künstlerischer, noch auf persönlicher Ebene. Viele von ihnen – wenn auch nicht alle – befinden sich irgendwo auf der Skala der Asexualität. Das bedeutet, dass sie entweder gar keine oder nur eine geringe sexuelle Anziehung zu anderen Personen empfinden. Und aus genau diesem Grund können wir ganz viel von ihnen über Sexualität lernen – auch wenn das im ersten Moment vielleicht befremdlich klingt.

Bewusste Verbindungen, statt wildem Rumgebumse

Asexuelle haben nämlich durchaus ein sehr gesundes Verhältnis zu Sex. Einige – wenn auch nicht alle – haben sogar Geschlechtsverkehr mit bestimmten Menschen oder befriedigen sich selbst. Nicht unbedingt aus Lust heraus oder um einen unbändigen Trieb zu befriedigen, sondern beispielsweise, um den eigenen Körper zu erkunden oder mit einer weiteren Person Liebe zu machen.

Asexuellen geht es dabei also weniger um wildes Rumgebumse, als viel mehr um die Verbindung, die zwischen zwei Menschen entsteht, wenn sie Sex haben. Eine Sache, die ich von mir eher selten behaupten kann – die Verbindung zwischen mir und beispielsweise meinen Tinder-Dates war vornehmlich körperlicher Natur und hatte mit einer Verbindung nichts zu tun. Wenn man einmal davon absieht, dass unsere Geschlechtsteile sich dabei berührt haben, versteht sich.

Nicht, dass das etwas Schlechtes wäre – ich mag diese Art von Sex und werde auch weiterhin One-Night-Stands mit nahezu Wildfremden haben. Aber ich glaube, dass durch die Art, wie asexuelle Menschen miteinander schlafen, wenn sie es denn tun, eine ganz andere Befriedigung erlebt wird als zum Beispiel ich das tue, wenn ich einen Orgasmus habe.

Eindeutig zweideutige Anspielungen erkennen

Abgesehen davon kann man natürlich noch eine ganze Menge andere Dinge von Asexuellen lernen, über die eigene Sexualität wie auch über die ihre. Zum Beispiel, dass man nicht unbedingt Sex braucht, um glücklich zu sein und aufrichtige, liebevolle Beziehungen führen zu können. Oder auch, wie blind wir für Übersexualisierung von komplett alltäglichen Gegenständen sind, weil Sex für uns etwas so Selbstverständliches ist, dass wir gar nicht mehr sehen, wenn Filme mit vollkommen unnötigen Nackt- und Sexszenen gespickt sind oder der Discounter nebenan mit einer eindeutig zweideutigen Anspielung für seine Bananen wirbt.

Generell sollten wir Asexuellen mehr Raum geben, sich über Sexualität zu äußern – über ihre eigene, nicht vorhandene Erregung, genauso wie unsere. Ihre Ansichten und Worte geben denjenigen von uns, die am liebsten nichts anderes tun würden als den ganzen Tag zu ficken, eine ganz neue Perspektive auf unsere eigene Sexualität und was wir mit ihr anstellen. Daneben gibt es selbstverständlich auch über Asexualität selbst eine ganze Menge zu lernen – und darüber, wie asexuelle Menschen tatsächlich Befriedigung erfahren.

Eine asexuelle Freundin einer Freundin antwortet auf die Frage danach, was ihr so richtig Lust bereite, immer: „Kuchen!“ Und wenn ich ehrlich bin, kann ich das schon ziemlich gut nachvollziehen – auch wenn ich für Kuchen wohl niemals auf Sex verzichten würde.