Eine Uhr auf einem pinken und blauem Hintergrund.

Was beeinflusst unser Zeitgefühl?

Ich sitze im überfüllten Hörsaal und versuche krampfhaft meine Augen offen zu halten. Mein Blick zuckt zur Uhr, – es sind erst fünf Minuten vergangen? Mir kommt es wie Stunden vor, seit ich den stickigen Raum betreten habe. Die Party gestern war aber auch zu gut. Bis zwei Uhr morgens habe ich getrunken, getanzt und gelacht. Ganze acht Stunden. Wahnsinn, wie schnell die Zeit vergehen kann, wenn man Spaß hat. 

Warum empfinden wir Zeit unterschiedlich lang? Während ein Urlaubstag gefühlt einen Wimpernschlag andauert, zieht sich ein verregneter Montag wie Kaugummi. Das subjektive Zeitempfinden wird durch unterschiedliche Faktoren wie Ablenkung, körperliche Anstrengung oder Emotionalität beeinflusst. Wenn wir also auf den Bus warten und uns dabei lediglich auf die Zeiger unserer Armbanduhr fokussieren, vergeht die Zeit langsamer. Wenn wir uns allerdings auf unser Smartphone konzentrieren, Videos schauen, Musik hören oder telefonieren, während wir warten, vergeht die Zeit um einiges schneller. 

Erinnerung schafft Zeit

Rückblickend stelle ich öfters fest, dass ich die Zeit bis zu meinem 18. Geburtstag wahnsinnig lange in Erinnerung habe – jetzt bin ich 24 Jahre alt und habe das Gefühl, die letzten sechs Jahre sind wie im Flug vergangen. Warum vergeht die Zeit im Erwachsenenalter so viel schneller? Im Laufe unseres Lebens nehmen die Anzahl von Handlungsroutinen stetig zu. Wir erleben viele Dinge nicht mehr zum ersten Mal, sondern haben sie fest in unseren Alltag integriert. Diese Routinen führen zu weniger intensiven Erlebnissen und Handlungen. Was wiederum dazu führt, dass wir uns im Nachhinein an nicht alle Situationen, die wir erlebt haben, erinnern können. Dadurch fühlt sich der Zeitraum kürzer an. Es handelt sich hierbei also um ein Gedächtnisphänomen beziehungsweise ein Erinnerungseffekt. Je weniger einprägsam die Ereignisse sind, desto kürzer kommt uns die vergangene Zeit vor, obwohl sich einzelne Situationen gar nicht danach angefühlt haben. Als Kind oder Jugendliche*r erleben wir Dinge oft zum ersten Mal. Den ersten Tag in der Schule, das erste Mal Alkohol trinken, die erste große Liebe und den ersten Urlaub mit Freund*innen – all das sind einprägsame Ereignisse, die nach und nach routinierter und weniger besonders werden. Aber die Spanne, in der wir Dinge zum ersten Mal ausprobieren und erleben, verfestigt sich viel stärker in unserem Gedächtnis und wir empfinden den Zeitraum langsamer.

Zusätzlich bewirkt Stress und Zeitdruck im Erwachsenenalter, dass Erlebnisse weniger detailreich wahrgenommen und dementsprechend schlecht in unserer Erinnerung verfestigt werden. Wir arbeiten, studieren, haben eine Beziehung und am Wochenende wollen wir feiern gehen. Deswegen leben wir oft wenig achtsam und erledigen viele Dinge gleichzeitig, sodass wir wenig Zeit haben, uns auf Einzelheiten zu konzentrieren. 

Die Digitalisierung ist ein weiterer Faktor, der unser Zeitempfinden verändert hat. Wenn ich an der Bushaltestelle stehe, kann ich mir ganz bequem auf Instagram, TikTok oder WhatsApp die Zeit vertreiben – durch Social Media gibt es also so gut wie keine Wartezeiten mehr. Diese Ablenkungen führen dazu, dass die Zeit für uns schneller vergeht als für Menschen, die kein Smartphone haben. Hierbei ist wichtig zu erwähnen, dass wir uns immer mal wieder Zeit für eine bewusste Entschleunigung nehmen sollten. Ohne bewusste Achtsamkeit zerfließt die Zeit zwischen unseren Fingern. Wir sollten darauf achten, in unserem Alltag (insofern möglich) Routinen zu durchbrechen, um positive Erinnerungen zu schaffen. 

Und was macht man jetzt, wenn die Vorlesung sich mal wieder endlos zieht? Die unliebsame Antwort ist wahrscheinlich einfach mitzuarbeiten. Sich aktiv zu beteiligen, Fragen zu stellen und mitzuschreiben. Eine Patentlösung gibt es leider nicht, aber wie heißt es so schön: Kommt Zeit, kommt Rat.

Mehr zum Thema:

Folge ZEITjUNG auf FacebookTwitter und Instagram!

Bildquelle: Foto von Icons8 Team von Unsplash; CC0-Lizenz