Eine Idee Liebe: Wie weit darf man für die Liebe gehen?

Die romantische Liebe ist zum Kitt unserer Paarbeziehungen geworden. Dass sie der Kitt zweier Menschenleben ist, ist dabei eine noch recht junge Erfindung. Seitdem hat sich viel getan. In dieser Kolumne beschäftigen sich unsere zwei Autorinnen Lena und Rahel mit dem Ursprung der romantischen Liebe. Wo kommt sie her, wo will sie hin? Ist die Liebe zwischen Swipe links und Swipe rechts nur noch ein Produkt der Liebesökonomie?

Wenn Paare sich ihre Liebe beteuern, sprechen sie nicht selten von bedingungsloser, gar selbstloser Liebe. Dahinter steckt die positive Absicht, eine andere Person uneigennützig und ohne Erwartungen zu lieben, so wie sie ist. Diese Maxime scheint das Ideal für viele Liebende zu sein. Denn wer selbstlos liebt, der liebt wahrhaftig, so die Theorie. Aber stimmt das wirklich? Kann Liebe selbstlos sein? Und wenn ja, ist das überhaupt wünschenswert?

Selbstlose oder auch altruistische Menschen stellen ihre Bedürfnisse aus Gründen der Nächstenliebe für andere zurück, ohne dabei eine Gegenleistung zu erwarten. Diese Selbstaufopferung geht nicht selten auf Kosten der eigenen Wünsche. Es wird im Gegenteil als romantisch empfunden, für die große Liebe alles aufzugeben: den Job, die Heimat, die Zukunft. Egoistische Menschen dagegen sind solche, die stets auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind. Vielleicht ist es gerade der schlechte Ruf des Egoismus, der den Altruismus auf ein solches Podest erhoben hat. Denn der Dualismus, selbstlos sein, ist gleich gut und egoistisch sein, ist gleich böse, scheint nicht zufällig gewählt. Doch sind die Grenzen tatsächlich so klar zu ziehen? Gibt es nur Gut und Böse und ist nicht das eine wie das andere ein ungesundes Extrem?

Selbstlos lieben – geht das überhaupt?

Ob es bedingungslose Selbstlosigkeit gibt oder nicht, ist eine philosophische Fragestellung. So scheint es naheliegend, dass die Motivation hinter altruistischem Verhalten in der Selbstbelohnung liegt. Denn wer anderen etwas Gutes tut, der fühlt sich selbst gut. Und wer aufopfernd liebt, der freut sich, wenn diese Liebe erwidert wird. Also verbirgt sich auch hier eine kleine Brise Egoismus, der keineswegs schlecht sein muss. Denn Egoismus ist nicht gleich Egoismus und auch Selbstlosigkeit hat verschiedene Abstufungen.

Lebt nicht gerade die Liebe vom Egoismus?

Was ist egoistischer, als sich in jemand anderen zu verlieben. Denn egal, ob es dieses Lächeln ist, die charmante Art, oder der Humor, da ist etwas, das die Aufmerksamkeit erregt hat, das einen ganz persönlich anspricht. Man möchte am liebsten Teil davon werden und etwas davon abbekommen. Verliebtsein bedeutet zunächst etwas bzw. jemanden haben zu wollen, nicht im Sinne von besitzen, aber im Sinne von, dass man sich einen besonderen Zugang zu dieser Person wünscht, indem die Gefühle erwidert werden. So gesehen sind Gefühle grundsätzlich egoistisch, weil sie immer einen selbst betreffen und höchst individuell sind. Vor allem am Anfang einer Beziehung geht es oftmals mehr um einen selbst als um die andere Person. Im Vordergrund jeder Beziehung steht das allzu menschliche Bedürfnis nach Nähe und Zuneigung, welches man zu stillen hegt.

Daher sollte man es vermeiden, einer falschen Vorstellung selbstloser Liebe hinterher zu jagen, die einem selbst und der Beziehung am Ende mehr schadet, als guttut. Denn ist es nicht gerade die Individualität, die einem am anderen so gefällt, die den anderen erst ausmacht? Wenn man sich für die andere Person aufopfert, dann bleibt nicht mehr viel von einem selbst übrig. Liebe lebt eben nicht von Selbstlosigkeit, sondern gerade von einem gesunden Egoismus. Und anstatt die eigene Individualität zu verleugnen, ist es wichtiger Kompromisse einzugehen. Es geht schließlich nicht darum, sich selbst für jemand anderen aufzugeben, sondern die jeweiligen Lebensentwürfe aneinander anzupassen und sich beim erreichen der Ziele gegenseitig zu unterstützen.

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Bildquelle: Foto von Kelly Sikkema von Unsplash, CC0-Lizenz