Eine Idee Liebe: Emotionale Abhängigkeit und die Angst vor dem Alleinsein

Die romantische Liebe ist zum Kitt unserer Paarbeziehungen geworden. Dass sie der Kitt zweier Menschenleben ist, ist dabei eine noch recht junge Erfindung. Seitdem hat sich viel getan. In dieser Kolumne beschäftigen sich unsere zwei Autorinnen Lena und Rahel mit dem Ursprung der romantischen Liebe. Wo kommt sie her, wo will sie hin? Ist die Liebe zwischen Swipe links und Swipe rechts nur noch ein Produkt der Liebesökonomie?

Bei dem Stichwort toxische Beziehungen denkt man zuerst an Narzissmus und an manipulative Persönlichkeiten. Doch auch emotionale Abhängigkeit kann ein Nährboden für eine ungesunde Beziehung sein.

Was ist emotionale Abhängigkeit?

Oftmals leiden Betroffene unter der Angst verlassen zu werden. Sie denken immerzu an ihre*n Partner*in und wollen ihm*ihr alles recht machen. Sie opfern sich selbst auf und sind sie einmal allein, wissen sie nichts mit sich anzufangen. Dies kann so weit gehen, dass sie regelrecht Angst davor haben, allein zu sein. Um das zu vermeiden, versuchen sie jeden Schritt ihres Partners zu kontrollieren, Eifersuchtsattacken inklusive. Aber nicht nur Beziehungen sind davon betroffen, auch in Freundschaften und im Kreis der Familie kann sich eine emotionale Abhängigkeit entwickeln. Betroffene fallen damit nicht nur ihren Mitmenschen zur Last, sondern auch der zwischenmenschlichen Beziehung. Doch vor allem leiden sie selbst darunter.

Der Zwiespalt

Emotional Abhängige leiden oft selbst unter ihrem Hang zum Klammern und ihrer eifersüchtigen Art. Sie wissen sehr wohl, dass ihr Verhalten übertrieben und zumeist unbegründet ist. Trotzdem können sie nicht davon ablassen. So sehr sie sich auch anstrengen, das ungute Gefühl bleibt. Diese Hilflosigkeit, an der eigenen Situation nichts ändern zu können, wirkt sich wiederum negativ auf das Selbstbewusstsein aus. Betroffene besitzen ohnehin meist ein geringes Selbstwertgefühl. Auf der Suche nach ständiger Selbstbestätigung versuchen sie ihre Unsicherheit zu überdecken. Da die empfangene Bestätigung jedoch nie lange anhält, neigen emotional Abhängige zu einem rückversichernden Verhalten. Sie fordern die Liebesbeweise immer wieder aufs Neue ein, bis sie ihre*n Partner*in nerven und einengen. Wenn der andere Part sich dem Druck irgendwann entzieht, steigt auf der anderen Seite wiederum die Verlustangst und der Drang nach Bestätigung. Am Ende werden sie zu einer Person, die sie selbst gar nicht sein wollen. Der Selbstentwurf und das Momentum ihres Handelns passen dann nicht mehr zusammen.

Oftmals scheint eine Trennung der einzige Weg aus der Misere zu sein, um wieder bei sich selbst anzukommen. Andererseits fällt es den Betroffenen schwer, den Schritt einer Trennung überhaupt erst zu gehen. Sie halten lieber an einer Beziehung fest, in der sie eigentlich gar nicht mehr sein wollen, nur um nicht allein zu sein. Der Abgrund zwischen Gehen und Bleiben war nie größer. Normalerweise sollte es jedoch so sein, dass man eine gute Beziehung ohne schlechte Gefühle weiterführen kann. Ebenso sollte eine Beziehung beendet werden können, wenn es einfach nicht mehr passt. Wie kann es gelingen, diesen Handlungsspielraum zurückzugewinnen?