Hört doch bitte damit auf nur über Tinder, Sex und Boyfriends zu reden

Kürzlich habe ich mich mit zwei Freundinnen getroffen. Zum Brunch. Es war superlecker und die Zeit verging schnell, erst im Nachhinein ist mir aber aufgefallen: Während der kompletten drei Stunden haben wir nur über uns selbst und unser persönliches Love- bzw. Sexlife gesprochen. Ist das wirklich alles, was wir zu bieten haben?

Klar, ich kann verstehen, dass mir meine Freundinnen von ihren neusten Tinder-Bekanntschaften erzählen wollen. Und anfangs bin ich ja auch sehr interessiert und involviert. Aber nachdem ich das 20igste Profilfoto zu sehen bekommen habe, fängt es einfach an mich zu langweilen. Auch die Dating-Berichte bieten oftmals eine gute Story. Aber stundenlang nur darüber reden? Ist das nicht ein bisschen einseitig?

Ich möchte diese Gespräche nun nicht grundsätzlich missen und es ist sicherlich Teil der sexuellen Revolution, dass wir heute so offen darüber reden können. Aber es beginnt mich zu nerven, wenn es NUR noch darum geht.

„Ich weiß, dass ich nichts weiß“

Warum investieren wir nicht mehr Zeit in politische Diskussionen oder gesellschaftliche Diskurse, sondern bleiben so egozentrisch in unseren Inhalten? Vermutlich, weil wir bei jeder politologischen Diskussion sehr schnell ans Ende unsere Argumentationskette kommen und uns allzu bald die Fakten und Evidenzen ausgehen. Anstatt also das Risiko einzugehen, sich eingestehen zu müssen, dass man eigentlich gar keine Ahnung hat und mit Reden eh nicht viel ändern kann, wird diese Art der Gespräche oft schon im Vornhinein vermieden.

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Unser Gesprächsverhalten ist vergleichbar mit unserem Trash-TV-Konsum: Wir wissen, dass es auf Netflix oder in der Arte-Mediathek unendlich viele qualitative Dokus gäbe, aber letztendlich entscheiden wir uns doch für den Bachelor. Es ist die Wahl zwischen Konfrontation und Ablenkung, zwischen Bildung und Unterhaltung – öfter als uns wahrscheinlich lieb ist, fällt die Entscheidung zu Gunsten der banalen Unterhaltung aus.

Ein „Frauenproblem“?

Ich wage eine Genderstereotypisierung und behaupte, dass dieses Gesprächsverhalten vor allem auf Frauen zutrifft. Diese Aussage basiert jedoch schlicht auf meiner persönlichen Erfahrung.

Mit Männern rede ich zwar teilweise auch übers Sex- und Liebesleben, aber viel allgemeiner und flüchtiger. Daneben haben viele, ganz andere Inhalte Platz – ist zwar oft auch nur Gelabber, aber das vermittelt einem wenigstens nicht den Eindruck, dass man sein eigenes Privatleben so furchtbar wichtig nimmt.

Es ist ein krasses Klischee, wenn ich sage, dass meiner Meinung nach Männer eher über Sachthemen und Frauen eher über Beziehungsthemen reden, aber in der Realität scheint das leider immer noch oft so zu sein. Ich finde: Beides sollte Platz haben – und zwar am Besten zu gleichen Teilen.

Denn wenn man nur über sich selbst redet oder den anderen nach seinem Liebesleben ausfragt, dann fühlt man sich am Schluss wie in einer wattierten Blase. Wenn man hingegen nur über die Welt und ihre Probleme spricht, dann hat man am Ende das Gefühl, man ist dem Gesprächspartner in keinster Weise nähergekommen, weil man nichts von ihm erfahren hat.

Ein bisschen von beidem wäre also ganz schön perfekt.

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Bildquelle: Unsplash unter CC0 Lizenz