Als Mama (oder Papa) zum Master

Zugegeben, Studierende mit Kind gehören nach wie vor einer Minderheit an den deutschen Unis an. Selbst bei großzügigen Berechnungen liegt der Anteil im einstelligen Bereich, zumindest im Durchschnitt. Der vielleicht wichtigste Grund für diese geringe Zahl: Die Vorstellung, Studium und Kindererziehung parallel zu schaffen, wirkt sich eher hemmend auf die konkretere Familienplanung während der Uni-Laufbahn aus. Dabei muss das gar nicht so sein.

Der „richtige“ Zeitpunkt

Denn bei genauerer Betrachtung, wird es auch in anderen Lebensphasen nicht wesentlich leichter, das Elterndasein mit beruflichen Ambitionen oder anderen Zielen zu vereinbaren – in erster Linie verschieben sich die Herausforderungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten. An der Tatsache, dass Multitasking unabhängig davon, wann der Nachwuchs zur Welt kommt, die Mindestanforderung ist, ändert sich im Prinzip wenig bis nichts.
Einen „richtigen“ Zeitpunkt für ein Kind gibt es somit im Grunde nicht, das hängt auch immer von den persönlichen Plänen für die Zukunft ab. Das Problem mit Plänen liegt allerdings darin, dass sie gerne einmal durchkreuzt werden. Da braucht es nicht einmal ein Baby, um die Vorstellungen davon, wie der Lebenslauf im Idealfall aussehen sollte, durcheinander zu bringen. In jungen Jahren will daran verständlicherweise niemand denken.
Natürlich spricht besonders die hohe Abbrecherquote unter Studierenden mit Kind nicht gerade dafür, Kinder in diesem Abschnitt des Lebens zu bekommen. Zu groß scheint also das Risiko, die Grundlagen für den späteren beruflichen Werdegang frühzeitig zu verlieren. Tatsächlich liegt die Gefahr eines Studienabbruchs im Vergleich zu kinderlosen Studenten viermal höher. Ohne Frage ergibt sich aus der Kombination aus Kind und Studium eine erhebliche Doppelbelastung. Die nur noch schwerwiegender wird, wenn zur Aufbesserung der finanziellen Situation eine Nebentätigkeit gestemmt werden muss.

Selbstbestimmung statt Stress: Das Arbeitsmanagement

Angesichts dieser Aussichten hältst du es für unwahrscheinlich, dass sich überhaupt stichhaltige Argumente dafür finden lassen, die Familienplanung schon während des Studiums in die Tat umzusetzen? Dabei ist durchaus das Gegenteil der Fall.

Das Hauptargument gegen das Studium mit Kind richtet sich vor allem gegen die mutmaßlich unmögliche Vereinbarkeit von Kindererziehung und dem Studium. Wenn du die Vorzüge der Uni-Zeit allerdings zusammennimmst, gestaltet sich die Situation deutlich entspannter:

  • Die Stundenplangestaltung liegt in deiner Hand, also kannst du selbst entscheiden, wann dich die Uni in Beschlag nimmt.
  • Das gilt in gleicher Weise für die längerfristige Perspektive, sprich deinen Studienverlauf. Die Anzahl der Kurse kann deinem Zeitbedürfnis – und dem deines Kindes – angepasst werden. Für die Studiendauer mag das zwar nicht sonderlich förderlich sein, Familie und Studium lassen sich so aber leichter unter einen Hut bringen.
  • Viele Arbeiten für das Studium kannst du zu Hause erledigen, was grundsätzlich praktisch ist und gerade dann ein unschätzbarer Vorteil ist, sollte dein Kind einmal krank werden oder sich die Betreuung als schwierig erweisen.

Zusammenfassen ließen sich alle diese Punkte mit der Erkenntnis, dass du mit großer Wahrscheinlichkeit zu keinem anderen Zeitpunkt wieder so viel Zeit für dein Kind haben wirst – oder es zumindest vergleichsweise einfach so arrangieren kannst, dass die Zeit vorhanden ist.

Nicht alleinerziehend im Studium

Nicht ohne Grund ist das „einfache Arrangieren“ dabei mit einer Einschränkung verbunden. Damit Familie und Studium parallel funktionieren können, ist ein hohes Maß an Organisation notwendig. Die wiederum wird allerdings tatsächlich in den vergangenen Jahren immer weiter erleichtert, weil sich auch die Hochschulen selbst mehr und mehr auf Studierende mit Kind und deren Belange einstellen.

Immerhin ist es besonders der Alltag, der mit seinen vielen Aufgaben die größte Belastung für Studierende mit Kind darstellt. Beratungs- und Betreuungsangebote bedeuten in dieser Hinsicht eine große Entlastung, gerade für die Alleinerziehenden, die sich die Kindererziehung und die alltäglichen Notwendigkeiten mit einem Partner aufteilen können.

Unterstützung vom Studierendenwerk

Bei den universitären Anlaufstellen gibt es vor allem umfassende Beratung, etwa zu finanziellen Fragen oder wenn es um Betreuungsangebote vor Ort geht. In dieser Hinsicht ist es außerdem empfehlenswert, sich an das jeweilige Studierendenwerk zu wenden.

Die verfügen über eigene Beratungsangebote, die – wie etwa das Studierendenwerk Freiburg – breit aufgestellt sind, von sozialen Fragen über psychotherapeutische Beratung bis hin zu Hilfestellungen in Erziehungsfragen. Besonders wertvoll: Über das Freiburger Studierendenwerk können Familienwohnungen und Wohnungen für Alleinerziehende bezogen werden, es gibt eine Babysitterbörse und – zwei eigene Kinderkrippen für insgesamt 110 Kinder.

Gut aufgehoben bist du mit deinem Kind auch an der Ludwig-Maximilian-Universität in München. Dort betreibt die Zentrale Studienberatung eine eigene Beratungsstelle für Studierende mit Kind, daneben hilft auch hier das Studentenwerk mit einem umfassenden Angebot dabei, dass Eltern und Kinder bestens versorgt sind.

Das sind nur zwei Beispiele, in ganz Deutschland kümmern sich 58 Studentenwerke um die Kinder ihrer Studenten und tragen dazu bei, dass die Unis den Kleinen genügend Platz einräumen und Bedeutung beimessen. Über 100 deutsche Hochschulen sind in diesem Zusammenhang übrigens mit dem Zertifikat „Familiengerechte Hochschule“ ausgezeichnet, das nach erfolgreich bestandenem Audit von der berufundfamilie Service GmbH vergeben wird. Für ganz Nordrhein-Westfalen hat das Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW eine eigene Seite eingerichtet, auf der du Informationen rund um die Kinderbetreuung an den Hochschulen des Bundeslandes finden kannst. Insgesamt sind auf kinderbetreuung-hochschulen.nrw.de 86 Kindertagesstätten und Kindertagespflegeeinrichtungen aufgeführt, die entweder zu den Hochschulen selbst gehören oder zumindest spezielle Plätze für Kinder studierender Eltern anbieten.

Finanzielle Unterstützung von vielen Seiten

Eine der größten Sorgen, die mit der Vereinbarkeit von Kind und Studium einhergeht, ist sicherlich die finanzielle Situation, die durch diese Kombination entstehen könnte. Das dürfte weitgehend unbegründet sein, denn finanzielle Unterstützung erhalten Studierende mit Kind von vielen Seiten.

  • Die Universitäten selbst gewähren eine Studienbeitragsbefreiung. Allerdings gilt die je nach Hochschule unterschiedlich lange: Zwischen zwei Semestern und der vollen Regelstudienzeit ist daher vieles möglich.
  • Von staatlicher Seite stehen studierenden Eltern selbstverständlich Kindergeld und Elterngeld zu, für Alleinerziehende können dabei besondere Konditionen gelten. Darüber hinaus wird etwa beim BAFöG ein Kinderbetreuungszuschlag für Kinder unter 10 Jahren gezahlt und die Förderhöchstdauer um ein Semester verlängert.
  • Unter Umständen erhältst du auch beim Studentenwerk finanzielle Unterstützung, etwa in Form einer einmaligen Summe für die Erstausstattung deines Kindes.

Abgesehen davon greifen auch verschiedene Stiftungen und Vereine Studierenden mit Kind finanziell unter die Arme, das Bundesministerium für Bildung und Forschung vergibt außerdem zusammen mit privaten Förderern das Deutschlandstipendium, von dem im vergangenen Jahr mehr als 27.000 Studenten profitieren konnten – darunter auch viele Mamas und Papas im Hörsaal.

Persönliche Voraussetzungen

So umfangreich die Unterstützung für Studierende mit Kind mittlerweile sein mag, alles können die Einrichtungen der Hochschulen und Studentenwerke natürlich nicht auffangen. Die wichtigste Frage muss daher lauten, ob du selbst dich in der Lage siehst, die Doppelaufgabe von Familie und Studium anzunehmen und die damit verbundenen Veränderungen, Verpflichtungen und Verzichte.

Viele Rollen, viel Verantwortung

Während des Studiums ein Kind groß zu ziehen, bedeutet unter anderem auch, viele verschiedene Rollen auszufüllen. Für gewöhnlich kennzeichnet der Beginn des Studiums den ersten Schritt in Richtung eigenständiges Leben, viele übernehmen erst ab diesem Zeitpunkt wirklich Verantwortung für sich selbst. Parallel zu diesem Entwicklungsschritt muss zusätzlich die Verantwortung für ein Kind übernommen werden.

Die Mutter-/Vaterrolle kann zudem in Beziehungen zu Problemen führen, wenn die Aufgabenverteilung nicht klar ist, der Wunsch nach einem Auslandssemester besteht oder ganz allgemein die Vorstellungen von der Kindererziehung. Zwischen dem zeitgleichen Dasein als Student*in, Partner*in und Mutter/Vater musst du dich möglicherweise erst einmal zurechtfinden.

Freizeit?

Studium und Nebenjob, das gehört für einen Großteil der Studenten zum Alltag dazu, trotzdem dürften die Freiheiten während der Zeit an der Universität größer sein, als sie es im späteren Berufsleben sind. Ein Kind bedeutet im Hinblick auf die Freizeitgestaltung gewisse Einschränkungen – aber die müssen auch nicht weiter reichen, als sie das etwa für erwerbstätige Eltern sind. Betreuungsangebote sind schließlich vorhanden, mit denen sich die eine oder andere freie Minute erwischen lässt.

Ansonsten muss mit der Entscheidung für ein Kind klar sein, dass du dich in Zukunft mit eigenen Wünschen und Bedürfnissen etwas zurückhalten müssen wirst. Aber: Besser als die Zeit mit deinem Kind ist sowieso keine noch so liebgewonnene Freizeitaktivität.

Stressresistent, diszipliniert, organisiert

Hört sich nicht nach dir an? Dann ist das noch längst kein Grund, vom Wunsch nach Studium und Kind Abschied zu nehmen. Sicher ist es von Vorteil, Eigenschaften wie eine hohe Frustrationsgrenze, schier endlose Geduld und ein natürliches Organisationstalent schon mitzubringen. Das Elternsein müssen aber trotzdem alle Mütter und Väter gleichermaßen erlernen und zwar am lebenden Objekt.

Nichts kann dich zu 100 Prozent auf die Aufgabe als Mutter oder Vater vorbereiten – du wächst im wahrsten Sinne mit ihr. Sobald das Kind da ist, ändert sich eben alles. Davon bist du nicht ausgenommen. Wichtig ist eigentlich nur, dass du dir bewusst bist, dass diese Veränderungen auf dich zukommen. Dann schaffst du es auch, dein Studium zu meistern und dein Kind großzuziehen.

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Bildquelle: Fotolia/estradaanton