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ZEITjUNG zofft sich: Müssen wir der AfD eine Plattform bieten?

 

YAY.

 

Als die AfD am 24. September als drittstärkste Partei in den deutschen Bundestag einzog, war allenthalben von Schock zu lesen. In deutschen Großstädten formierte sich zorniger Widerstand. Aus moralisch erhöhter Position spuckten gebildete Mittzwanziger ihre Verachtung nach Ostdeutschland und aufs Land, wo die AfD abertausende Stimmen abgegriffen hatte. Und auch in den Medien: oft der erhobene Zeigefinger, öfter totale Ablehnung, Reduzierung auf kernige und teilweise abstoßende Provokationen von AfD-Führungsfiguren. Rassisten, teilweise Faschisten im deutschen Bundestag!

 

Harte Fronten

 

Diese Aussage war es, die die Empörten entrüstet und gebündelt hinaus trugen in diese Welt, die heute so viel feindlicher und ablehnender sein soll, als in Jahrzehnten Bundesrepublik zuvor. Da war vor allem diese Botschaft: Kein Zentimeter den Rechten! 87 Prozent gegen rechts. Sicher eine Position mit Daseinsberechtigung. Und sicher für die politische Topographie und zuvorderst die Demokratie unverzichtbar. Was derlei ablehnende Habacht-Haltungen aber vor allem bewirken: harte Fronten mit immer markanter werdenden Krusten, die wie in der Sonne trocknender Lehm fester und fester werden, bald schon starr gewordene Materie sind.

Und genau das halte ich für falsch, ja, sogar für gefährlich. Denn ist nicht der, der auf Radikales mit starrer und einförmiger Ablehnung reagiert, selbst per Definition ein wenig radikal? Hass der AfD gegenüber verändert nichts und führt nicht den Sieg der Demokratie herbei, den sich viele mit entschlossenem Gesichtsausdruck herbeisehnen, die die AfD aus Redaktionsräumen ausschließen. Stattdessen, und das ist der Beginn eines tieferen Verständnisses, bedarf es einer Debatte – und dem damit einhergehenden Ein- und nicht Ausschließen einer Partei, die längst keine Splittergruppe von Verängstigten und Rechten mehr ist, sondern eine Partei, die weit mehr als jeder zehnte Deutsche gewählt hat.

 

Auf Augenhöhe unterhalten

 

Nimmt man die AfD ernst, hört man den Inhalten hinter den kruden, aufmerksamkeitsheischenden Thesen zu, nimmt man auch die Bürger ernst, die ihr Kreuz bei der AfD gemacht haben. Die Bürger, die sich vorkommen, als habe man sie vergessen. Die sich als Abgehängte sehen, als Verlierer der Wende und des Aufschwungs. Nur eine faire Debatte kann dafür sorgen, dass viele von ihnen die echten Gefahren der AfD erkennen und dass andere Parteien ebenjene wieder erreichen, die sie verloren haben.

Kurz nach der Wahl saß ich mit einem Handwerker zusammen. Er sagte es nicht direkt, es wurde aber klar ersichtlich, dass er die AfD gewählt hatte. Ich habe ihn nicht verurteilt, kein Unverständnis gezeigt, nicht vehement dagegen gesteuert. Ich habe ihm zugehört, und verstanden, warum er die AfD in seiner Situation gewählt hatte. Erst danach konnten wir auf Augenhöhe sprechen. Über Sorgen, die mir, als in einer Großstadt lebendem Mittzwanziger unfassbar fern sind, die aber seine Realität abbilden. Thematisiert man sie, ihre Geschichten, ihre Ansichten, lässt man auch die AfD in Zeitungen, Portalen und Beiträgen. Denn sie haben die AfD – egal ob aus Protest oder Überzeugung – in den deutschen Bundestag gebracht. Wenn die AfD in München sprechen wird, werde ich nicht in Trillerpfeifen blasen oder Schilder mit Beleidigungen malen. Sondern zuhören. Und danach vielleicht etwas darüber schreiben. Klar Stellung gegen Rassismus, Hass und Hetze beziehend, aber eben nicht von vorne herein kategorisch ausschließend, eine mediale Bühne zu kreieren. Weil sich nur etwas ändern wird, weil man Menschen mit festgefahrenen Meinungen nur dann erreicht, wenn man sie ernst nimmt. Und nicht, wenn man die Medien als Plattform einer Partei ausschließt, die für viele wie ein letzter Ausweg aus der eigenen Misere daherkam – und die auch deshalb nun erschreckenderweise in diesem Land mitregieren wird.