Ani & die Reise: Allein zu reisen kann spannend sein – und anstrengend

Nach dem Motto „Was raus muss, muss raus. Über das Reisen und über alles dazwischen.“ schreibt unsere langjährige und liebe Wegbegleiterin Anika Landsteiner auf ihrem Blog anidenkt. Daneben schrieb sie auch ein Buch. Wir freuen uns sehr auf Anis Kolumne “Ani & die Reise“, die regelmäßig auf ZEITjUNG erscheint. Packt schon mal eure Koffer!

Los Angeles alleine zu bereisen war mit Anfang 20 kein Problem für mich. Ende 20 alleine mit dem Auto durch Süditalien zu fahren, stellte sich als spätsommerliches Desaster heraus. Warum zur Hölle alleine reisen? Und vor allem: Warum funktioniert es manchmal – und wann überhaupt nicht? Alle machen plötzlich einen auf lonesome rider, und wenn sie jemanden dabei haben, der die Fotos für Instagram knipst, dann tun sie zumindest so, als seien sie alleine. Was für uns Reiseblogger oftmals Teil der Arbeit ist, stellt für andere eine Herausforderung dar, der sie sich stellen wollen. Kann ja nicht so schwierig sein. Oder? Wer alleine reisen will, sollte sich vorab eine Frage stellen: Laufe ich lediglich dem Hype hinterher? Denn das, meine Damen und Herren, hat noch nie funktioniert. Reisen, egal in welcher Form, sollte eine Entscheidung von innen heraus sein; nicht, um endlich einen Grund zu haben, sich bei Blogspot anzumelden, um der Welt und Hinterdupfing zu erklären, wie bereichernd es ist, dieses Gefühl von on the road. Alleinreisen macht beispielsweise aus ganz pragmatischen Gründen Sinn: Bist du Single? Bist du spontan, deine Freunde aber nicht? Möchtest du etwas nur für dich selbst tun, um mal zu spüren, wie sich das anfühlt? Herzlichen Glückwunsch, pack den Koffer.

Die Forcierung des Glücks

Mindestens einer der oben genannten Gründe war für mich immer ein Auslöser. Spoiler: Die Idee des Alleinreisens unterscheidet sich jedoch oftmals stark von dem Erlebnis, das es dann letztendlich ist.
Die Einsamkeit hat sich fast immer bereits im Flugzeug auf den freien Platz neben mich gesetzt, weil ich es in dieser überfüllten Welt gar nicht gewohnt war, alleine zu sein. Tatsächlich fiel es mir von Jahr zu Jahr schwerer, den Sonnenuntergang am Strand meiner Wahl zu genießen, weil ich darin lediglich die kitschig-schöne Vorstellung gesehen habe, Kopf an Kopf in den Horizont zu blicken. Zum Handy zu greifen und ein abgehacktes WhatsApp-Telefonat nach Deutschland zu führen, stellte sich nie als besonders kluge Idee heraus: Bis die Verbindung stabil war, war dann auch die Sonne weg. Warum es sich also überhaupt antun – alleine zu reisen? Es gibt schließlich so viele Gründe, es bleiben zu lassen: Beim Autofahren kann man sich nie abwechseln, außerdem muss man Fahrer und Navigator gleichzeitig sein, das Zimmer kann man sich nie teilen und somit muss man immer den vollen Preis bezahlen, abends sitzt man alleine umringt von Bussi-Bussi-Pärchen im Restaurant – und dann muss man auch noch diese traumhaft schönen Momente alleine erleben, was nicht selten in eine Trotzreaktion übergeht: Ich muss das jetzt genießen! Doch es geht einfach nicht.

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Bei meinem Karibikurlaub vor einem Monat war dann plötzlich alles anders. Perfektes Wetter, nette Menschen, puderweiße Sandstrände, türkis schimmerndes Wasser, als hätte jemand Millionen Flaschen Blue Curaçao reingekippt, Salsa-Klänge aus den Bars, in den Mojito-Gläsern klirrendes Eis und das Gefühl, im eisigen Winter Deutschland die absolute richtige Entscheidung getroffen zu haben. Allein zu reisen funktioniert ein bisschen nach dem Prinzip „zur richtigen Zeit am richtigen Ort“. Man sollte genau die Destination buchen, die einen für diese Reise anzieht, also schon mal hier keine Kompromisse machen. Man kann sich vorab informieren, wie und wo man auf andere Reisende treffen kann oder im Zweifelsfall dorthin fliegen, wo man die Sprache spricht, sodass der Kontakt zu den Einheimischen eine manchmal wichtige Brücke bilden kann. Am Ende ist es so: Alleinreisen hilft dabei, sich selbst auszuhalten. Sich selbst wieder kennenzulernen. Es schärft das Wissen, wie man auf Ungewohntes reagiert.
Aus der Karibik kam ich also nicht nur braungebrannt zurück, sondern vor allem ein Stück weit selbstbewusster, gelassener und glücklicher. Und auch wenn es unbezahlbar ist, den Sonnenuntergang mit dem Lieblingsmenschen zu teilen, ist es genauso wertvoll, ihn allein genießen zu können. Für sich, mit sich – und den hundert Instagrammern, die anschließend das Bild liken.

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Titelbild via pixabay unter CC0 Lizenz, Bild im Text: (c) Anika Landsteiner