Ani & die Reise

Ani & die Reise: Warum das Modell „Job kündigen und reisen gehen“ nervt

Nach dem Motto „Was raus muss, muss raus. Über das Reisen und über alles dazwischen.“ schreibt unsere langjährige und liebe Wegbegleiterin Anika Landsteiner auf ihrem Blog anidenkt. Daneben arbeitet sie an ihrem Buch, das 2017 erscheinen wird. Wir freuen uns sehr auf Anis Kolumne “Ani & die Reise“, die ab jetzt regelmäßig auf ZEITjUNG erscheinen wird. Packt schon mal eure Koffer!

Job kündigen, Wohnung verkaufen, reisen gehen: Das ist der Hype schlechthin, und nicht nur unter denen, die sich einfach selbstständig machen wollten und neben der Kündigung plötzlich auch noch ein Flugticket in der Hand hielten, sondern auch unter allen anderen Gen-Y-Kindern, die sich eine Auszeit wünschen. Egal, ob man während der Weltreise arbeitet oder von Erspartem lebt, um dann pleite zurückzukommen – es ist ziemlich einfach, den manchmal öden Alltag gegen das bloße Sein unterm Sonnenhut zu tauschen. Das ist aber, wie so oft, nicht alles.

 

Bon Voyage!

 

Sicherlich. Für viele ist es der genau richtige Schritt. Es schlummerte bereits seit Jahren in ihnen, dann war da dieses Schlüsselerlebnis und jetzt geht’s raus. Keine Kompromisse mehr, Selbstverwirklichung, olé olé. Schließlich haben sie die passende Generation gleich mit im Gepäck. Und das ist gut so. Wer keinen Bock auf seinen Job mehr hat, soll kündigen – Achtung Vorurteil, das muss nicht der böse 0815-Job sein, der irgendwie immer für alles herhalten muss, das kann auch ein ganz spannendes Ding gewesen sein. Aber manchmal sind die Zeiten vorbei und es soll weitergehen. Oder überhaupt mal anfangen. Und wenn dann bei jemandem der kleine Zeh beginnt zu jucken und alles, einfach alles passt und er sich dabei ertappt, einen Flug zu buchen, dann ist doch alles gut. Das soll dann wohl so sein, wie Mutter sagen würde. Bon Voyage!

 

Weltreisekarussell hin … Weltreisekarussell her …

 

Wenn jemand jahrelang darauf spart, die Kontinente dieser Welt zu entdecken, dann freue ich mich bombastisch für denjenigen, sobald es so weit ist. Ich teile das Glück und jeder, der am Anfang einer Reise steht, weiß, wie unfassbar der Aufbruch so viele wirre Emotionen durch den Körper jagt. Doch wenn ich dann wieder überall lese, wie gefühlt jeder, der loszieht, es gefühlt jedem, den es nicht interessiert, unter die Nase reibt, und dem Ganzen noch die „Warum-Du-das-auch-tun-solltest“-Krone aufsetzt, fängt es an, mich wirklich zu nerven. Weil dabei immer eine Sache vergessen wird: Dass es nicht jedermanns Sache ist.

Wenn ich „Job kündigen“ bei Google eingebe, wird mir das Schlagwort „Weltreise“ gleich hinterhergeworfen. Es scheint also, als würden diese beiden Handlungen untrennbar miteinander verbunden sein. Verwirrend für diejenigen, die vielleicht nur „wie“ fragen wollten. Glücklicherweise und mit einem Beigeschmack an Ironie erscheint jedoch an erster Stelle ein Artikel, in dem Anna von Anemina Travels schreibt: „Tatsächlich spricht eine ganze Menge dagegen, einfach alle Zelte ab- und ins Ungewisse aufzubrechen. Auch wenn ich zugeben muss, dass die Idee etwas Abenteuerliches und Verlockendes hat: Es gibt viele Gründe, es nicht zu tun.“

 

Lebensmodelle sind so unterschiedlich wie das Reisen selbst

 

Der Hype, sein altes Leben aufzugeben, um mit Rucksack auf unbestimmte Zeit alle möglichen Klimatabellen zu durchwandern, ist anstrengend für alle, die das eigentlich gar nicht wollen. Denen aber auf jedem zweiten Blog eingeredet wird, dass das der ultimative Weg zur Selbstbestimmung ist. Ich sag mal so, und ich sage das als jemand, der genau aus dem Grund – reisen zu können – freiberuflich arbeitet: Nein, es ist nicht der ultimative Guide. Kann sein, muss aber nicht. Und wenn alle irgendwann auf Tobago hängen geblieben sind und anderen erzählen, wie sie mittlerweile ihren Job mit sich herumtragen können, weil er in die Handtasche passt, dann haben wir lediglich den Standort gewechselt.

Natürlich kann man seinen Job kündigen, die Wohnung neu vermieten und reisen gehen. Es fängt nur an, schwierig zu werden, wenn das Modell der Wanderlust überromantisiert und als das Non-Plus-Ultra dargestellt wird. Alle Zelte abbrechen und losziehen? Das kann mutig sein, das kann aber auch dumm sein.

Vielleicht ist es für manche die bessere Variante, mit einem Sicherheitsnetz zu reisen. Das heißt, warum sofort Job kündigen und Wohnung verkaufen? Warum nicht mal den unbezahlten Urlaub durchkalkulieren oder den Chef nach einem Sabbatical fragen. Und die Wohnung erst mal zwischenvermieten.

 

Hyper Hyper oder die Frage: How much is the journey?

 

Die Sache ist doch die: In welcher Situation jeder von uns steckt, er steckt darin aufgrund eigener Entscheidungen. Manchmal tut’s auch eine berufliche Neuorientierung, manchmal ist sogar der Abbruch einer Reise genau das Richtige. Wichtig ist eben, dass jeder auf das hört, was er wirklich will und nicht anderen hinterherrennt, weil die das wirklich wollen. Mutig zu sein ist manchmal was ganz anderes. Zum Beispiel einschätzen zu können, was uns unser Alltag zuhause bedeutet. Was uns wert ist, uns glücklich macht. Und ob der Hype auf wirklich jeden zutreffen kann.

Für mich ist es nichts. Mit einer Weltreise könnte man mich jagen, dazu liebe ich das nach Hause kommen viel zu sehr.