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Warum es so fatal ist, dass wir ständig erreichbar sein müssen

Die Helikoptermama freut sich jedes Mal, weil sie wegen der „Zuletzt online um …“ Funktion auf WhatsApp endlich beruhigt einschlafen kann, wenn ihre Tochter nachts unterwegs ist. Und auch der Orientierungsloseste ist mit Google Maps in verwinkelten und abgelegenen Städten nicht mehr aufgeschmissen. Ein Leben ohne Smartphone scheint uns mittlerweile unvorstellbar – wir sind süchtig nach dem Gefühl, rund um die Uhr erreichbar zu sein und uns innerhalb weniger Sekunden Echtzeitinformationen aus aller Welt beschaffen zu können.

Doch die Sucht nach pausenloser Erreichbarkeit fordert auch ihren Preis: Erwerbstätige können nicht mehr abschalten, weil sie auch im offiziellen Feierabend dienstliche Nachrichten empfangen und so automatisch an den Berg an Arbeit denken, den sie noch zu erledigen haben. 66 Prozent aller Berufstätigen empfinden die ständige Erreichbarkeit deshalb als Belastung für ihr Privat- und Familienleben. Das sind die Ergebnisse einer Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut YouGov im Auftrag der Deutschen Presseagentur durchführte. Demnach werden nur 42 Prozent aller Erwerbstätigen in ihrer Freizeit nie mit berufsmäßigen Angelegenheiten konfrontiert.

Dauerstress trotz Feierabend

In einer Metastudie, über die das Portal wirtschaftspsychologie-aktuell.de berichtete, fand man heraus, dass starke Belastung, Konflikte zwischen Arbeit und Freizeit und Stress häufige Folgen ständiger dienstlicher Erreichbarkeit sein können. Ergebnisse von Umfragen der „Initiative Gesundheit und Arbeit“ (iga) zeigten außerdem, dass die durchgehende Belastung auch gesundheitliche Auswirkungen haben kann – die Befragten gaben Schlafstörungen, Unruhe und Dauerstress als Symptome an. Am häufigsten sind davon Arbeitnehmer betroffen, die auf Vertrauensbasis arbeiten und angaben, dass sie sich stark mit ihrem Job identifizieren.

Doch egal wie sehr man für seinen Job brennt – irgendwann siegt die Erschöpfung. Wenn der Arbeitseinsatz nicht ausreichend honoriert wird und wegen der ständigen Erreichbarkeit zudem kein ausgleichendes Privatleben stattfinden kann, erscheint der Burn-Out irgendwann als logische Konsequenz.

Tatsächlich sind es nämlich vor allem Lebenspartner und Familien, die leiden, wenn sich Betroffene selbst in ihrer Freizeit mit beruflichen Angelegenheiten beschäftigen. Es sei an der Zeit, die pausenlose Erreichbarkeit gesetzlich oder betrieblich einzuschränken, sagten sogar 83 Prozent der befragten Partner in der iga-Untersuchung.

Frauen sind mit der Erreichbarkeit ihrer Männer demnach unzufriedener als andersherum: Weil Mütter von minderjährigen Kindern oft Teilzeit arbeiten, um Familie und Beruf vereinbaren zu können, stören sie sich ganz besonders daran wenn ihr Partner seltene, gemeinsame Freizeitaktivitäten mit dienstlichen Anrufen ausbremst.

Der Chef stört nur indirekt

Interessanterweise steckt jedoch meist nicht der Chef selbst hinter den Störungen: Meist sind es Kollegen oder Kunden, die per Mail, SMS oder Anruf „nochmal schnell was abklären wollen“. Da wird sogar vor dem Urlaub der Beschäftigten nicht Halt gemacht – mehr als zwei Drittel aller Erwerbstätigen gaben bei einer Bitkom-Untersuchung an, dass sie ihren Urlaub schon mal zeitweilig für Jobangelegenheiten unterbrechen mussten. Tatsächlich war es aber nur bei jedem Fünften der Chef höchstpersönlich, der sich meldete.

Das liegt höchstwahrscheinlich daran, dass viele Betriebe es sich zum Ziel gesetzt haben, herkömmliche, hierarchische Strukturen aufzuheben – und vermehrt versuchen, ihre Absichten nun indirekt, also mittels Kollegen, zu verwirklichen und den Betroffenen so trotzdem zum Handeln zu bewegen.

Die Studien zeigen auch, dass es vor allem jungen Arbeitnehmern unter 30 Jahren schwerfällt, Arbeits- und Berufsleben voneinander abzugrenzen. Dies zeigt, wie nötig es ist, dass Betriebe sich einem Kulturwandel unterziehen: Wenn junge Leute ihre Arbeit nur noch als nicht enden wollende Qual empfinden, weil man ihnen so gut wie nie eine echte Ruhephase gewährt, so wird sich das zwangsläufig auch auf ihre Leistung auswirken.

Zunächst einmal sollten aber auch die Arbeitnehmer selbst einen wichtigen Schritt tun und erkennen, dass sie kein schlechtes Gewissen haben brauchen, wenn sie ihr Handy im Urlaub oder nach Arbeitsschluss einfach mal ausschalten und ein paar Stunden offline und unerreichbar sind. Das würde uns allen mit Sicherheit mehr als gut tun.

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Bildquelle: snapwiresnaps.tumbrl.com unter CC 0 Lizenz