Studierende

Armut im Studium: Wie die Inflation Studierende an ihre Grenzen bringt

Ein Drittel aller Studierenden in Deutschland ist armutsgefährdet

Dass die finanziellen Engpässe auch vor vielen anderen Studierenden bundesweit nicht Halt machen, beweisen Zahlen aus dem Jahr 2021: Dem Statistischen Bundesamt zufolge lebt ein Drittel aller Studierenden unter der Armutsgrenze. Im Zuge der Energiekrise und der Inflation droht sich die finanzielle Lage vieler Studierender zu verschärfen. Ohne BAFöG ist für viele das Studium nicht zu realisieren.

Das Problem hierbei: Nur wenige Studierende haben Anspruch auf BAFöG. Während die Anzahl der immatrikulierten Studierenden zunimmt, nimmt die Anzahl der Studis, die BAföG erhalten, immer mehr ab. Im Jahr 2022 hat nicht mal ein Sechstel aller immatrikulierten Studierenden an deutschen Hochschulen BAFöG erhalten. Viele Studierende müssen somit auf Ersparnisse zurückgreifen oder sind auf die finanzielle Unterstützung ihrer Eltern angewiesen. Armut im Studium ist für viele Studierende somit längst Realität geworden.

Die psychischen Folgen von Armut im Studium

Eine Zeit lang redete Kim sich ein, es würde sich zum Positiven wenden. Doch was nur eine Phase sein sollte, entwickelte sich schnell zum Dauerzustand. Irgendwann fehlte ihr die Kraft, Uni-Kurse zu besuchen, ihre Konzentration ließ nach, Klausuren wurden aufgeschoben – und Mamas Anrufe wurden ignoriert. „Sie hat mich ständig über das Studium ausgequetscht, das hat mich nur noch mehr unter Druck gesetzt“, blickt sie zurück. 

Eigentlich gibt es an jeder Universität in Deutschland Beratungsstellen, die Student:innen bei Problemen wie Armut im Studium zur Seite stehen. Aber: Nicht jede:r verzweifelte Student:in nimmt sie auch in Anspruch. Dabei sei das sehr wichtig, wie Dr. Hubert Hofmann von der Psychologisch-Psychotherapeutischen Beratungsstelle für Studierende der Universität Regensburg bestätigt. Denn nicht selten leide die Gesundheit darunter.

„Meistens sind die Studierenden so verzweifelt, dass sie ihr Sozialleben und ihre Hobbys ganz nach hinten stellen und sich bis zum ‚Geht-Nicht-Mehr‘ verausgaben – das mündet meistens in Depression“, so Hofmann. Für viele Studierende sei der Leistungsdruck ohnehin schon belastend genug. Wegen der steigenden Wohn- und Heizkosten werde für viele Studierende der Spagat zwischen Arbeit und Studium zu groß.

Schlaflose Nächte, Weinattacken und Versagensängste gehörten auch für Kim schon nach wenigen Monaten ebenso zum Gesamtpaket Studium wie Semesterticket und Kantinenfraß. 

Sie beschloss, für ein weiteres Semester die Zähne zusammenbeißen, vor allem sich selbst zuliebe, doch fortan ging es nur noch bergab. Für Kim war jede Leistung, die sie erbringen musste, wie ein kleiner Hürdenlauf. Das Limit war erreicht, als sie in einer Klausur in ihrem Lieblingsfach Spanisch, in dem sie eigentlich immer gut gewesen war, durchfiel. Die Hürde riss, sie fiel zurück – und schmiss das Studium. „Ich war echt am Ende“, sagt sie.

Vor einem Monat hat Kim ihr Studium abgebrochen. Da sie einen Bachelor-Abschluss hat, hat sie inzwischen eine Arbeit gefunden. Außerdem lebt Kim inzwischen mit ihrem Freund zusammen, mit dem sie sich die Miete teilt. Deshalb schließt Kim es nicht aus, ihr Master-Studium irgendwann nachzuholen. Allerdings nur unter der Bedingung, dass Armut im Studium kein Thema sein wird. „Ich versuche, mir etwas Geld für meinen Master zusammenzusparen“, sagt sie. Unter Druck setzen will sie sich aber nicht mehr. „Aktuell will ich mir einfach was leisten können, da muss ich meinen Wunsch zu studieren leider hinten anstellen – oder notfalls aufgeben.“

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Bildquelle: Helena Lopes via Pexels; CCO-Lizenz