Babel: Über den Zauber der Sprache
2023 wurde das Buch „Babel“ von Rebecca F. Kuang in Deutschland veröffentlicht. Wir verraten, warum der TikTok-Hit, der in einer fiktiven Version Englands während der industriellen Revolution spielt, gerade heute aktueller denn je ist.
Worum geht es in „Babel“?
„1836. Oxford, die Stadt der träumenden Türme, ist das Zentrum allen Wissens und Fortschritts in der Welt. Denn dort befindet sich Babel, das Königliche Institut für Übersetzung. Der Turm, von dem die ganze Macht des Empires ausgeht.
Für Robin Swift, Waisenjunge aus dem chinesischen Kanton und von einem geheimnisvollen Vormund nach England gebracht, scheint Babel das Paradies zu sein. Bis es zu einem Gefängnis wird… Aber kann ein Student gegen ein Imperium bestehen?“
„Babel“ ist im Kern ein Dark Academia Roman, der Fantasy-Elemente mit Themen wie der Kolonialgeschichte oder der industriellen Revolution verbindet. Im Zentrum der Handlung steht ein Junge aus dem chinesischen Kanton, der von dem britischen Gelehrten Richard Lovell nach Großbritannien gebracht wird. Dort soll Robin Swift im sogenannten Turm von Babel in Oxford zum Übersetzer ausgebildet werden. Gemeinsam mit seinen Mitstreiter*innen, dem Inder Ramy, der Haitianerin Victoire und Letty kämpft er sich über den Kurs mehrerer Jahre durch die Studien. Während seiner Zeit in Babel lernt Robin nicht nur einiges über den Prozess des Übersetzens, sondern auch über Etymologie, Kapitalismus und die Ausbeutung und Unterwerfung ganzer Nationen.
Ein Magiesystem der anderen Art
Um all diese komplexen Bereiche zu verbinden, bedient sich „Babel“ eines ausgeklügelten Magiesystems, das zwar nur einen kleinen Teil der Geschichte einnimmt, dafür aber im Gesamtzusammenhang eine umso größere Rolle spielt. Der Reichtum des britischen Empires, wie Kuang es erschaffen hat, basiert auf Silberbarren. Graviert ein fähiger Übersetzer passende Wortpaare auf ihnen ein, kann er damit auf magische Art und Weise einen gewünschten Effekt erzielen – beispielsweise, um Kutschen zu betreiben, oder eine tödliche Explosion herbeizuführen. Durch das Sammeln von Silber und des nötigen Wissens hat es Oxford geschafft, das Zentrum der globalen Macht zu werden. Ressourcen, die jedoch auch anderen Ländern helfen könnten. Womit wir eigentlich auch beim zentralen moralischen Konflikt des Protagonisten sind.
Bereicherung durch Ausbeutung
Um die eigene Macht zu erhalten, hortet das britische Empire nicht nur Silberbarren, sondern bezahlt auch die Ausbildung ausländischer Studierender, die dann der Krone dienen sollen – genauso wie bei Robin Swift. Professor Lovell, der ihn zu Beginn der Geschichte nach England bringt, verspricht ihm ein besseres Leben, in dem er sich keine Gedanken mehr um Geld und Sicherheit machen muss. Gleichzeitig bedeutet es für Robin, der ursprünglich aus China stammt, seine Heimat zu verraten und sie der Ausnutzung durch das britische Empire zu überlassen.
„Babel“ entpuppt sich in diesem Zusammenhang als monumentale Gesellschaftskritik, die uns trotz der historisch-fantastischen Natur immer wieder den Spiegel vorhält. So sieht sich Robin auch mit Rassismus konfrontiert – wird unter anderem gefragt, ob er durch seine kleinen Augen überhaupt etwas sehen könne. Dabei schafft Kuang allerdings den Spagat und zeigt nicht mit anklagendem Finger auf eine gesamte Gesellschaft, sondern beschreibt auch Menschlichkeit an Orten und bei Personen, bei denen man sie zunächst nicht vermutet hätte.