Wie unsere Kindheit über unser Beziehungsleben entscheidet
Beziehungen und Partnerschaften sind nie einfach. Doch manche Leute leiden an Bindungsangst – ein Phänomen, das eine gesunde und glückliche Beziehung quasi unmöglich macht. Wer eine solche Angst entwickelt, entscheidet sich in den ersten Jahren des Lebens, in dem Kinder ihren persönlichen Bindungsstil entwickeln, der sie ein Leben lang begleitet. Der Kinderpsychiater John Bowlby erkannte, dass sich bei angemessener Reaktion der Eltern auf Bedürfnisse ein sicherer Bindungsstil entwickelt, bei Vernachlässigung, zu viel Behütung oder Verlust eines Elternteils ein unsicherer.
Das Verhalten von Erwachsenen in Beziehungen ist auf den Bindungsstil zurückzuführen. „Menschen mit einem sicheren Bindungsstil fühlen sich in engen Beziehungen wohl und haben Vertrauen“, sagt die Psychologin Eva Neumann vom Uniklinikum Bochum. Wer einen unsicheren Bindungsstil entwickelt hat, der klammert entweder und ist ängstlich oder hält seine*n Partner*in auf Distanz, um ein unabhängiges Selbstbild zu bewahren.
Gleich und gleich gesellt sich gern & Gegensätze ziehen sich an: beides wahr
Wie finden Paare nun zueinander? In den häufigsten Konstellationen von Paaren sind entweder beide sicher gebunden oder beide unsicher gebunden. Bei den unsicher gebundenen treffen sich in den meisten Fällen ein klammernder und ein distanzierender Part. Dabei übernimmt in heterosexuellen Beziehungen oft die Frau den ängstlich-klammernden Part und der Mann den distanzierten, auf Unabhängigkeit bedachten. Forscher vermuten als Ursache dafür Geschlechterstereotype, die die Frau als abhängig vom Einkommen des Mannes sehen.
US-Forscher fanden heraus, dass interessanterweise unsicher gebundene Paaren, also die distanzierten Männer mit ängstlichen Frauen, die stabilsten Beziehungen führten. Die Beziehungen von zwei sicher gebundenen Partnern waren weniger stabil, dafür aber zufriedenstellender und glücklicher. Konstellationen mit zwei klammernden oder zwei distanzierten Partnern gab es im Experiment, in dem 354 heterosexuelle Paare untersucht worden sind schlicht nicht.
Ist unser Liebesschicksal also schon festgeschrieben?
Nein, glücklicherweise nicht. Obwohl der im Kindesalter entwickelte Bindungsstil stabil ist, kann sich dieser ändern, beispielsweise durch eine Trennung, die tiefe Spuren bei uns hinterlässt. Aber auch durch eine langfristige, gesunde Beziehung kann ein unsicherer Bindungsstil durch einen sicheren ausgetauscht werden.