Viele Überwachungskameras sind auf zwei Menschen gerichtet

Big Brother Is Watching You

In der Freiburger Innenstadt gingen in den letzten Tagen die ersten Überwachungskameras in Betrieb. Aufgrund wieder ansteigender Kriminalität „nach“ der Corona-Krise hat sich die Stadt für die Nutzung der Kameras entschieden. Dies scheint ein guter Anlass zu sein, einmal über Videoüberwachung – sei sie staatlich oder privat – zu diskutieren und das Für und Wider von verschiedenen Überwachungsmethoden in den Blick zu nehmen. In welchen Grenzen ist eine Videoüberwachung und die damit einhergehende Datenerhebung erlaubt? Haben wir noch eine Privatsphäre?

Zwar gibt es die Abgleiche der KFZ-Kennzeichen schon lange. Jedoch werden immer neuere extremere Überwachungsmethothoden technisch möglich. Man denke an Gesichtsabgleiche, Drohnen und Body-Cams der Polizei. Da fragt man sich, ob der Gesetzgeber den raschen technischen Fortschritt schnell genug regulieren kann, um einen ausreichenden Datenschutz zu gewährleisten.

Staatliche Videoüberwachung im weltweiten Vergleich

In Europa ist London die Stadt mit den meisten Überwachungskameras. Dort werden jedoch nicht nur „normale“ Kameras installiert, sondern heute wird häufig eine Gesichtserkennungssoftware verwendet. Bereits 2016 gab es erste Tests mit einer Live-Gesichtserkennung. Dabei gleicht eine intelligente Software (KI) die Gesichter von Passanten mit denen auf einer „Watchlist“ (Liste gesuchter Personen) ab und kann so gesuchte Verbrecher identifizieren. Inzwischen sind über 10.000 Personen auf dieser Watchlist. Dabei handelt es sich nicht nur um gesuchte Verbrecher, sondern auch um Opfer von Verbrechen, potenzielle Zeugen und teilweise auch Leute, die unabsichtlich auf der Watchlist landen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hält solche Massenüberwachungssysteme mit Gesichtserkennung jedoch grundsätzlich nicht für vereinbar mit der Europäischen Datenschutzverordnung. Eine Live-Gesichtserkennung stellt einen tiefen Einschnitt in die Privatsphäre dar und die betroffenen Personen können meistens nicht zustimmen. Für die Zulassung eines solchen Überwachungssystems müssen bestimmte Zwecke verfolgt werden. Die bloße Angst vor einem potenziellen Terroranschlag kann die Nutzung der Systeme noch nicht rechtfertigen. Es muss eine konkrete Gefahr für die nationale Sicherheit bestehen. Damit reicht die Rechtfertigung der Londoner Polizei nicht aus für die Ansprüche des Europäischen Datenschutzes.

Problematisch ist auch, dass die Systeme hunderte von Menschen fehlerhaft überprüfen, auch wenn die Trefferquote bei über 99% liegt. Zusätzlich hat die Technologie ihre Schwierigkeiten mit älteren Menschen, sehr jungen Menschen, Frauen und nicht-weißen Menschen. Dies führt zu einer weiteren Diskriminierung bei Polizeikontrollen.

Ganz anders in totalitären Staaten wie China: dort gilt natürlich die Europäische Datenschutzverordnung ohnehin nicht. China ist weltweit das Land mit der höchsten Dichte an Überwachungskameras. Hier werden jegliche Daten uneingeschränkt erhoben und verarbeitet, selbst aus den Sozialen Netzwerken. Mit dem System „SharpEye“ können sogar Bürger die Bilder verschiedener Überwachungskameras auf ihrem Smartphone einsehen und bei Auffälligkeiten die Polizei benachrichtigen. Das SharpEye Programm stellt so eine hundertprozentige Massenüberwachung im Staat sicher.

Auch Australien setzt Überwachungskameras teilweise extensiv ein. An manchen Schulen kann zum Beispiel das Kantinenessen per Gesichtserkennung abgerechnet werden. In Europa würde die Datenschutzgrundverordnung ein solches Vorgehen an Schulen nur erlauben, wenn alle Eltern dem zustimmen würden. Ansonsten erlaubt die EU den Einsatz einer Gesichtserkennungssoftware grundsätzlich nur bei der Suche nach einem vermissten Kind, terroristischen Bedrohungen, oder um Täter oder Verdächtige schwerer Straftaten zu finden. Zusätzlich muss aber eine vorherige richterlicher Anordnung zur Überwachung erfolgen und die Überwachung ist auch auf eine bestimmte Dauer und einen bestimmten Ort beschränkt.

Beobachtung durch Private

Nicht nur der Staat, sondern auch viele Private setzen Videoüberwachungsmethoden ein. Gerade in London kam es deshalb zu dem Kameraüberfluss, weil viele Firmen und Privatleute verschiedene Gebäude überwachen lassen. Dazu gehören Einkaufszentren oder Stadien, aber auch einzelne Bürger, zum Beispiel um ihr Grundstück vor Einbrechern zu schützen. Auch mit Helmkameras, Fahrassistenten, Smartphones oder Drohnen (etc.) werden Unmengen an Videomaterial von Privaten erzeugt. Oft wird (versehentlich) mehr Videomaterial privat erzeugt, als den staatlichen Stellen je erlaubt wäre. Die Gefahr besteht dann, dass das Material missbraucht wird, insbesondere wenn die Privaten ihre Rechten und Pflichten bezüglich der Speicherung und Verwertung nicht kennen.

Wenn du also das nächste Mal deine neue Drohne übers Nachbargrundstück fliegen lassen willst, solltest du wissen, dass du das Eigentum und das Persönlichkeitsrecht des Nachbarn verletzt. Man darf nur sein eigenes Grundstück filmen. Selbst wenn die Kamera aus ist, kann ein Eingriff vorliegen. Das gleiche gilt für Überwachungskameras an deinem Haus. Gleichzeitig musst du auf die Überwachung am Haus ausdrücklich hinweisen.

Bedenken und Datenschutz

Bedenken gegen die extensive Videoüberwachung lassen sich unter anderem aus dem Datenschutz und dem Grundgesetz ableiten. Deswegen werden in Europa recht hohe Anforderungen an die Videoüberwachung gestellt, es muss zum Beispiel immer ein „berechtigtes Interesse“ für die Installation der Kameras bestehen. Tatsächlich hat man auch ein Recht darauf, seine eigenen Aufnahmen einzusehen, was aber mit großen Hürden verbunden ist. Jedoch haben Privatpersonen meist selbst kein Interesse Einsicht in das Videomaterial zu verlangen. Viele fühlen sich durch die Kameras sogar sicherer und finden, wenn man nichts zu verbergen hat, spielen die Kameras keine Rolle. Dass das Material missbraucht werden kann, wird nicht bedacht.