Bilder von der scheinbar unendlichen Weite der Arktis

Die Arktis – eine Landschaft, die für uns zwar wunderschön, aber auch unendlich fern ist. Während die Meisten munter nach Asien und Südamerika reisen, war bisher noch kaum einer in der Arktis. Anders als Christoph Ruhsam. Eine Faszination für das ewige Eis hatte der Landschaftsfotograf schon als Kind. Aufgewachsen in Österreich, bereist und fotografiert er nun seit 30 Jahren Gletscher in der nördlichen Hemisphäre. Die Bilder hat er in einem Buch zusammengefasst, „Frozen Latitudes“*, die gefrorenen Breitengrade.

Die unendliche Weite täuscht – seit vielen Jahren schrumpfen die Eisflächen. Durch den Klimawandel erhalten die Bilder Ruhsams eine politische Note – eine Dokumentation dessen, was die Menschheit im Begriff ist, zu zerstören.

ZEITjUNG: Wie kamst du auf die Idee Eis zu fotografieren?

Christoph Ruhsam: Die Leidenschaft für die Arktis habe ich schon sehr lange. Ich habe mich mit meinen Reisen mehr und mehr nach Norden orientiert, angefangen mit Norwegen und Island, bis ich gemeinsam mit meiner Frau begonnen habe, die Arktis zu bereisen. Wir waren auf eigene Faust 5-7 Wochen lang auf Expedition in völlig menschenleeren Gebieten unterwegs. Neue Reisen wecken auch immer neue Perspektiven. Um eine wirklich authentische Erfahrung zu machen, haben wir uns ganz auf die Lebensumstände der Grönländer eingelassen, wir waren mit Schlittenhunden unterwegs und sind im Winter dorthin gefahren, zu einer Zeit, in der es mehr Nacht als Tageslicht gibt und wir dauerhaft tiefen Temperaturen von bis zu -30°C ausgesetzt waren.

Möchtest du die Gletscher fotografieren, um zu dokumentieren, wie sich der Klimawandel auswirkt?

Das Klima ist ein großer Aspekt meiner Arbeit. Da ich mittlerweile seit 30 Jahren in die Arktis fahre, habe ich die Veränderung hautnah mitbekommen. In der Politik wird immer wieder von dem 2-Grad-Ziel gesprochen – in der Arktis haben wir jetzt bereits eine Erwärmung von bis zu 4 Grad. Wir haben Gletscher gesehen, die in ca. 30 Jahren um mehr als 15 km kürzer wurden, das sommerliche Meereseis geht gegenüber dem langjährigen Mittelwert im Volumen um 80% zurück, ganze Systeme kollabieren. Wenn man sagt, die Arktis sei das Kühlaggregat des Klimas auf der Welt, hat dieses ein großes technisches Problem mit Auswirkungen auf das weltweite Klima.

Möchtest du die Menschen also mit deinen Bilder aufrütteln?

Natürlich ist der Wunsch da, durch meine Bilder ein größeres Publikum auf diese Probleme aufmerksam zu machen. Vor allem, da man in meinen Arbeiten wirklich die Entwicklung sieht  – die frühen Bilder, die den aktuellen Satellitenbildern gegenüberstehen. Das spricht für sich. Bei all der Emotionalität der Klimadebatte, ist es notwendig, dem Ganzen ein paar Fakten gegenüber zu setzen. So ist es, so sieht es aus und die Bilder mit dem wissenschaftlichen Hintergrund sprechen für sich. Darüber hinaus möchte ich die Ästhetik Arktischer Landschaften vermitteln. Diese Landschaften sind wahnsinnig faszinierend, durch die Reduktion auf das Wesentliche. Sie sind enorm wichtig für das Weltklima und bedürfen keiner ökonomischen Bewertung durch den Menschen.

Was ist es für ein Gefühl, als kleiner Mensch mitten in den Eismassen zu stehen?

Da kommen verschiedene psychologische Phänomene zusammen. Natürlich fühlt man sich angesichts solcher Weiten erst einmal verschwindend klein. Entweder, man sieht das dann als Bereicherung oder als Bedrohung. Wir sind in unseren europäischen Städten gewohnt, dass unser Nachbar meistens nur eine Wand von uns entfernt wohnt. Durch die klare Luft in der Arktis sieht man mehr als 100 Kilometer weit, ohne einen Menschen oder irgendetwas menschengemachtes zu erblicken. Für mich und meine Gruppe war das immer ein befreiendes Gefühl, aus dem wir dann auch für den Alltag schöpfen konnten. Man wird sich auch bewusst, dass sich der Mensch einfach immer viel zu wichtig nimmt. Der Mensch wird unter diesen Dimensionen auf die ihm gemäße Größe reduziert.

Gab es einen Moment, der dir besonders im Gedächtnis geblieben ist?

Vor allem bleiben einem natürlich die Extremsituationen im Kopf. An einem Wintertag waren wir ohne unsere grönländischen Führer unterwegs und standen plötzlich vor Eisbärspuren im Schnee – da springt der Herzschlag plötzlich ins bodenlose. Aber auch allgemein, der Moment, wenn man von einem Hubschrauber abgesetzt wird, mitten im Nirgendwo. Zu wissen, jetzt geht es nur noch vorwärts, nicht zurück. Das ist ein faszinierendes Gefühl.

*Leser von „ZEITjUNG“ können das Buch auf der Website mit dem Promocode „ZEITjUNG“ vergünstigt beziehen.

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Bildquelle: Frozen Latitudes – Christoph Ruhsam