Was passiert bei underground Bondage-Partys?

Friedrichshain ein paar Jahre später, eine Wohnung im ersten Stock. Schon beim Schritt in den Flur wirkt alles freundlich und familiär. Menschen ziehen sich um und aus. Es ist eng und gedrängt. Im Wohnzimmer wird neben einer Nebelmaschine getanzt. Sex sieht man hier und dort, aber es nimmt nie Überhand. Für ungestörte Momente zieht man sich ins zwei Quadratmeter große Séparée zurück und schaltet die Ampel (einen Kippschalter) für die Außenwelt auf Rot. Im Séparée kann man seine Begleitung x-förmig an der Wand „festnageln,“ auf der Bank davor Platz nehmen und die innere Ampel für die eigene Fantasie auf Grün stellen.

Manchmal kommen auch Polizisten vorbei, aber – außer in Corona-Zeiten – nur zu ihrem privaten Vergnügen, ganz ohne Uniform. Handschellen und weitere Fesselmöglichkeiten, wie ein Andreaskreuz und Flaschenzug im Schlafzimmer, finden sich dort auch so schon genug. Am beliebtesten ist an diesem Abend aber der Strafbock, aus dem Sportunterricht auch als Sprungbock bekannt.

Auf dem „Bondage Ball“ sieht man alle, Anfang 20 oder Mitte 50, alles geht – Berlin eben. In den langen Nächten des Balles finden die Frischlinge der Szene so einen leichten, ja sogar familiären Einstieg, die Erfahrenen wiederum freuen sich über neue Gesichter. Man spricht miteinander, nimmt in der Küche oder auf der Tanzfläche der Wohnung Kontakt auf – respektvoll, unaufdringlich, verspielt.

Auch auf Reisen ist der Bründel Bondage Ball schon gegangen. Es gab gemeinsame Busreisen ins Berliner Insomnia oder den Kit Kat Club, wie auch in das im Umland gelegene Red Castle, ein Wellness BDSM.

Sogar Fahrten auf der Spree oder mit einem zweigeschossigen Wagen auf dem Christopher Street Day gab es. Manchmal will eben auch das Besondere noch ein gewisses Extra erleben. Unter diesem Gesichtspunkt hat Michael auch die Idee des Fetisch for Future ins Leben gerufen.
Dadurch bringt er „Spaß und gute Laune“ in die Aktionen und Demonstrationen der „Extinction Rebellion,“ Faktoren die, in Michaels Worten, „für das Gelingen einer Bewegung absolut wichtig sind.“ 


Michael Bründels Konzept funktioniert. Aber was macht den Reiz des Bondage, das B aus BDSM, und all der damit verwandten Vorlieben und Fetische aus?
Zum Einen wohl der allgemeine Kick des Verbotenen, die Lust ein Tabu zu brechen und die darin schlummernde Energie wachzuküssen. 

„Diese Enge, beispielsweise bei Lederklamotten, gibt einem ein Gefühl von Gehaltensein, ja sogar von Freiheit“, sagt Michael.
Wer Bondage ausprobiert und Gefallen daran findet weiß: Es entwickelt sich ein Gefühl des Vertrauens zwischen dem Gefesselten und dem Fesselndem. Vertrauen zu spüren ist eine heilsame Erfahrung für Menschen. Ebenso erhaben fühlt sich für viele das Spiel mit der absoluten Macht, die dem*der Dominierendem*n und Führenden zufällt.

 Wir begegnen dieser Konstellation, der unterschiedlichen Verteilung von Macht, in gewisser Weise ständig in unserem Alltag. Sei es zwischen Mitarbeiter*innen und Vorgesetzten, Eltern und Kind oder auch der Polizei und Zivilist*innen. Diese festgefahrenen Positionen im sicheren Spiel zu beleuchten und tiefer zu entfalten, als es uns in unserem politisch korrekt unterdrückten und verstocktem Alltag möglich ist, ist ebenfalls potentiell heilsam und gewinnbringend. 

Diese süßen Machtspielchen erlebe ich auch selbst, als ich an meinem Outfit, eine zu Hosenträgern umfunktionierte Bandschlinge (aus dem Klettersport), auf die mit Hormonen aufgeladeneTanzfläche gezogen werde.



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Bildquellen: Aufmacher: Unsplash; CCO-Lizenz; Fotograf Fabian Pospiech (Fabz Black); Michael Bründel



Fotos: Facebook:Bründel-Bondage