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Carsten Stahl: Vom Reality-TV-Star zum politischen Meinungsmacher

Politikexperte ohne Expertise

Wie so viele politisierte sich der Gewaltpräventionsberater zunehmend während der Corona-Zeit. Auf privaten oder befreundeten Social Media Kanälen wurde über die Coronamaßnahmen, das Impfen und Masken diskutiert. Inhaltlich ein einziger Fingerzeig auf die Regierung, sein Ton wie gewohnt, laut und aggressiv. Fazit: „Die Regierung führt uns hinters Licht“. Die klassischen Aussagen der vermeintlichen Freiheitskämpfer, nur dass Stahl mit seiner Anhängerschaft und seinem Auftreten breites Gehör findet. Das Potenzial entdeckte auch die BILD und so lässt man ihm seit kurzem zu allen aktuellen politischen Themen seine Meinung ins Mikrofon brüllen.

Seine politischen hot takes werden fast täglich über BILD-Kanäle auf allen Plattformen ausgespielt. Er wird zum Experten für Energiekosten, Klima-Proteste und Inflation. Carsten Stahl, der sich sonst für unfair behandelte Personen einsetzt, würde die Klimaprotestant*innen auch ohne Rechtsgrundlage wegsperren. Auch in seinen Detektiv-Auftritten im Fernsehen deutete sich schon an, dass Stahl ein großer Fan von Selbstjustiz ist. Frei nach dem Motto: Erstmal die Tür eintreten und dann schauen, ob dahinter gemobbt wird. Politiker-Diäten als zu hoch anklagen ist okay, nicht okay ist es dabei, die Politikerin so anzuschreien, dass sie das Gefühl hat, Stahl würde sich das Geld gleich selbst von ihr holen.

Mag man zu den Themen stehen, wie man will, so sollte sich doch einvernehmlich feststellen lassen, dass Stahl bei keinem angesprochenen Thema eine wirkliche Qualifikation für eine Expertise besitzt. Es geht nicht um Mobbing oder Schauspielen, es geht um komplexe Themen wie Klimawandel, Energiekosten und Inflation. Eine differenzierte Auseinandersetzung mit diesen Themen ist zu wichtig, als dass man der Bevölkerung in einem unfundierten fünfminütigen Wutausbruch-Video politische Extrempositionen entgegenschreien sollte.

Dass die Kritik von Carsten Stahl an die Regierung gerichtet ist, ist sicherlich gerechtfertigt. Denn für die Probleme, unter denen die Bürger zurzeit leiden, sind politische Entscheidungen mitverantwortlich. Anstatt diese Entscheidungen sachlich zu hinterfragen und konkret anzuklagen, wird wild rumgeschrien. Der Mobbingcoach wittert eher eine große Verschwörung, bei der die Politik (die da oben) gezielten gegen die Bevölkerung (die da unten) agiert. Wozu diese Polemik bei politischen Themen führen kann, zeigen Fälle wie der des erschossenen Tankwarts in Idar-Oberstein. Egal wie beängstigend die Zustände in Deutschland sind, wenn Carsten Stahl darüber redet, bekommt man noch mehr Angst.

Eine Überraschung ist diese polarisierende, wutgenerierende Personalauswahl beim Springer-Verlag leider nicht. Die Vermutung liegt nahe, dass man sich von einer Reality-TV-Legende mit aufgeladenen politischen Statements viele Klicks erhofft. Der Plan scheint aufzugehen, wie seine Trash-TV-Folgen, wurden auch mehrere BILD-Auftritte bei YouTube über eine Million Mal geklickt.

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