Frau vor ihrem Laptop mit erhobenen Händen als Geste der Verwirrung

CDU-Genderverbot: Echt jetzt?

Und dann wäre da noch der Vorwurf, durch den „Zwang“ zu Gendersprache sei das Recht auf freie Rede eingeschränkt. Das ist eine kraftvolle Aussage, besonders wenn es um Wissenschaft geht. Aber inwiefern wird man durch die Bitte, mehr als ein Geschlecht in seinen Formulierungen zu erwähnen, eingeschränkt? Für Leute, die nicht betroffen sind und sowieso immer angesprochen werden, ist es doch nur eine Formalität auf gegenderte Sprache zu achten, genauso wie man sich auch an einen vorgegebenen Zitierstil hält. Außerdem verändert es nichts am wissenschaftlichen Inhalt und dessen Aussagekraft, sondern es erweitert den Horizont und eröffnet neue Perspektiven, wenn man andere Menschen mit anspricht. Und das ist in der Wissenschaft immer wünschenswert.

Mehrheiten im Blick

Wenn es also keinen Zwang zu gendergerechter Sprache gibt, es sich also lediglich um einen Prozess der Sprachveränderung handelt, wieso gehen die Konservativen dann so stark gegen das Thema vor? Ein Grund dafür könnte die vor Kurzem erschienene Studie von infratest dimap im Auftrag der Welt am Sonntag über Zustimmung zur sogenannten Gendersprache sein. Dabei kam heraus, dass 65 Prozent der Befragten eher weniger oder ganz und gar gegen Gender-Formen wie das Binnen-I bspw. in SchaupielerInnen oder neutrale Ausdrücke wie Schauspielende sind. 65 Prozent – eine Zahl, die sich die CDU bei der Wahl im September sicherlich wünscht.

Bitte nicht falsch verstehen – für die Arbeit demokratischer Parteien sind Meinungsumfragen und wissenschaftliche Studien unerlässlich, um Stimmungen und Positionen der Bürger*innen mitzubekommen. Allerdings zeigt die Studie hier nur die Zustimmung zu einzelnen Arten des Genderns (die gängigste Form, der Genderstern, wurde nicht abgefragt) und klärt weder die Gründe für die Abneigung (sind Menschen vielleicht einfach inzwischen genervt vom ganzen Thema?) noch die allgemeine Meinung zu fairerer Sprache, in der Frauen und nicht-binäre Menschen auch sichtbar sind. Die Frage, ob in Konsequenz die Befragten auch einem Verbot von gendergerechter Sprache zustimmen, wird aber geklärt: 51 Prozent sprechen sich gegen ein Verbot aus.

Ausspielen von Minderheiten

Ein Argument der Petition des RCDS ist, dass der DBSV (Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband) sich gegen Genderzeichen wie das Sternchen oder den Unterstrich ausgesprochen hätte. Das ist auch richtig, im Statement des Vereins steht aber auch, dass sie als Selbsthilfeverband den Wunsch nach gendergerechter Sprache respektieren und unterstützen, nur soll bei der Umsetzung auch auf die Bedürfnisse blinder und sehbehinderter Menschen geachtet werden. Eine legitime Forderung, denn wenn es um mehr Gleichberechtigung in unserer Sprache geht, müssen Menschen, die nicht sehen oder hören können, auch in die Fortentwicklung einbezogen werden. Was der RCDS und Teile der CDU mit solchen verkürzten Aussagen betreiben, ist Ausspielen von Minderheiten, die sich eigentlich unterstützen, sich in einigen Punkten noch nicht einig sind oder sich noch nicht genug zugehört haben.