Die generalistische Pflegeausbildung – Was sie in der Pflegebranche ändern soll

Die Reform der Ausbildung in Pflegeberufen hat aus den einzelnen Ausbildungsgängen in Pflege, Altenpflege oder Kinderkrankenpflege die generalistische Pflegeausbildung mit dem Abschluss Pflegefachmann/-frau werden lassen. Welche Gründe stecken dahinter?

Was bedeutet die Reform für die Ausbildung?

Grundsätzlich hat sich nur wenig verändert. Um ehrlich zu sein, eigentlich nichts, außer ein paar Begrifflichkeiten. Auf den ersten Blick wirkt es, als wenn der Zugang zur Ausbildung erschwert werden soll, der zweite Blick offenbart, dass dies nicht so ist. 

Früher konnten auch Hauptschüler in die Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger oder Altenpfleger einsteigen. Jetzt können sie dies nur über einen Umweg, sie müssen vorab eine einjährige Pflegehelferausbildung absolvieren. Da dieses Jahr auf die generalistische Pflegeausbildung angerechnet wird, dauert die Ausbildung bis zum Examen nach wie vor drei Jahre, nur das erste Jahr läuft bei Absolventen ohne mittleren oder höheren Schulabschluss anders ab. 

Die Pflegebereiche werden in der Ausbildung nicht mehr strikt getrennt. Konzentrierte sich die Ausbildung zum examinierten Altenpfleger eben auf die Altenpflege, so werden in den ersten zwei Ausbildungsjahren die Inhalte völlig gleich sein. Im dritten Jahr ist dann eine Spezialisierung möglich, die in die Altenpflege, die Kinderkrankenpflege oder die allgemeine Krankenpflege führt. Große Ausbildungshäuser mit eigenen Akademien wie Unikliniken haben dies zumindest bei der Ausbildung von Kinder- und Krankenpflegern schon vorher so gehandhabt. 

Vorteile der Reform 

Als Vorteile der Reform werden die Gleichsetzung der Anerkennungen und somit auch die flexibleren Arbeitsmöglichkeiten nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung genannt. Zwar bedeutete die Einführung der generalistischen Ausbildung in der Pflege eine Menge Organisation und Verwaltung, doch wenn die Anfangshürden genommen sind, führt die Generalisierung tatsächlich zu einigen Erleichterungen. Die Pflegeschulen können Klassen zusammenstellen und Interessenten aufnehmen, die vorher eventuell keinen Platz bekommen hätten, weil nur die Altenpflegeklasse noch Plätze hatte, die Krankenpflege aber nicht mehr. 

Das Gesundheitssystem und die Pflege im internationalen Vergleich

Viele Länder haben die Ausbildung von Pflegefachkräften zu einem Studium aufgewertet. Das deutsche Gesundheitssystem gilt zwar grundsätzlich als gut, doch der Schein trügt. Gemessen an 167 Ländern weltweit, belegt Deutschlands Gesundheitssystem den 12. Rang. Doch der Vergleich hinkt gewaltig, weil hier Länder aus der Dritten Welt neben Schwellenländern und Industriestaaten des Westens natürlich schlecht dastehen. Ein Blick auf einen Vergleich von 11 Industrieländern zeigt daher, dass Deutschland hier nicht einmal mittelmäßig, sondern eher schlecht abschneidet, mit seinem 8. Platz. 

Überraschenderweise liegen Länder wie Singapur und Japan bei dem Vergleich der 167 Länder vor Deutschland, nämlich ganz an der Spitze. Dies ist nicht nur auf technischen Fortschritt, sondern vor allem auch auf Organisation und Qualifikation des Personals zurückzuführen. 

Unterschiedliche Studien bringen unterschiedliche Ergebnisse zutage, auf welche Verlass ist und was sie aussagen, hängt also immer von der Perspektive des Auftraggebers ab. 

Der Ausbildungsstand von Pflegepersonal ist in Deutschland gut. Das steht nicht zur Debatte. Trotzdem würde es deutschen Pflegekräften im Ausland ebenso ergehen wie den rekrutierten Fachkräften aus europäischen oder asiatischen Ländern. Bevor sie wirklich verantwortungsvoll arbeiten dürften, wäre eine Anerkennung nach Landesstandard nötig, die viele nicht so ohne weiteres bestehen würden. Umso unverständlicher, dass italienische oder andere europäische Pflegekräfte, die in ihrem Heimatland studiert haben, um den Berufsabschluss zu erlangen, bei uns nicht sofort die volle Anerkennung bekommen. 

Die Aufgabenprofile von Pflegekräften in den unterschiedlichen europäischen Ländern sind sehr unterschiedlich. Wurden in Großbritannien und Österreich beispielsweise die Kompetenzen erhöht, werden in Deutschland alle höheren Kompetenzen nur durch Zusatzqualifikationen erworben. Ganz drastisch ist der Vergleich der Ausbildungsstände zwischen den USA und Deutschland. Dort ist das Image der deutschen Ausbildung ganz schlecht und die Tätigkeiten, die deutsche Fachkräfte dort übernehmen dürfen, gleichen oft denen der Freiwilligendienstleistenden in Deutschland. 

Der Pflegeberuf – Zwischen Stress und Alptraum

Die Verantwortung von Pflegenden ist trotzdem enorm. Denn obwohl ihnen durch die generalisierte Ausbildung im weltweiten Vergleich das Image noch mehr demontiert wurde, sind sie die Pfeiler des deutschen Gesundheitssystems. Dass sie trotz Überlastung immer weiter arbeiten und ihren Dienst am Menschen verrichten, kann nur an ihren ethischen Einstellungen liegen, denn im Grunde ist jeder Dienst unter schwierigen Bedingungen eine Gratwanderung zwischen einem Leben in Freiheit oder im Gefängnis. Passiert etwas, sind sie die ersten, die zur Verantwortung gezogen werden.

Die Arbeitszeiten sind schwierig. Und dass Pandemien unser Gesundheitswesen und seine Mitarbeitenden stressen, können wir als bewiesen ansehen. Gesellschaft und übergeordnete Mitarbeiter im Gesundheitswesen bringen den Kämpfern an der Bettenfront keine Wertschätzung entgegen, sondern erwarten sogar noch Verständnis dafür, dass man sie an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit treibt. Das Klatschen auf dem Balkon, war ein kurzes Aufbegehren der Bevölkerung, die inzwischen nach Aufhebung der Maskenpflicht und dem Ende der Pandemie ruft. 

Was genau bringt sie also, die generalistische Pflegeausbildung?

Wer sich noch die Zeit erinnern kann, als Twix noch Rider hieß, der weiß, was etwas bringt, von dem nur der Name geändert wird. Die Gesundheitsberufe wurden ja erst vor wenigen Jahren bereits einmal reformiert, als aus den Krankenpfleger/innen die Gesundheits- und Krankenpfleger wurden. Letztendlich ändert die Neuregelung weder etwas am Zugang zur Ausbildung noch am Ausbildungsstand der Absolventen. Wie gut eine Pflegefachkraft arbeitet und qualifiziert ist, liegt grundsätzlich an ihr selbst. Lebenslanges Lernen ist für die meisten glücklicherweise mehr Wunsch als Zwang und gerade in der Pflege zeigt sich, dass Mitarbeitende ihre Fachgebiete finden, in denen sie sich gern spezialisieren und mittels Zusatzqualifikationen Fachwissen aneignen, die sie dann zur professionellen Arbeit am Patienten befähigen. Tatsache ist, dass es beispielsweise nicht nötig ist, für die Arbeit auf einer speziellen Station, im Vorfeld bereits schulen zu lassen. Der erfolgreiche Abschluss der Basisausbildung reicht völlig aus und ist bei vielen Fachkräften auch der einzige fachliche Nachweis. Das liegt nicht immer an den Mitarbeitenden, geht aber oft zulasten von Patienten. 

Letztendlich ist die durchschnittliche Verweildauer in Pflegeberufen unterdurchschnittlich kurz. Das kann nicht nur auf familienunfreundliche Arbeitszeiten geschoben werden. Denn trotz vieler Entlastungen im physischen Bereich, stehen Überforderung, fehlende Kompetenzen, die in der Arbeit unsicher machen und traumatische Erlebnisse für Pflegende, die in Krisensituationen aufgrund schlechter Qualifikation falsch handelten weit oben in der Liste der Gründe für Wechselwünsche. Wirklich mit Hingabe arbeiten nur wenige Menschen noch in der Pflege, was gut nachzuvollziehen ist, wenn man sieht, dass Gesundheit und Pflege als Wirtschaftszweig gehandhabt werden.

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