Start-ups: Die Hölle der Löwen

„Marge“, „working capital“, „Reinvestment“. Die Gesprächsthemen an den Mittagstischen der Deutschen TV-Bevölkerung haben sich merklich verändert. Sind zu Beginn des Jahres „Dschungelprüfungen“ oder „Die Nacht der Rosen“ vorherrschende Begrifflichkeiten in den Büros, überrollt der Privatsender VOX nun bereits zum dritten Mal TV-Deutschland mit einer Welle der Gründereuphorie.
 

Faszination Start-up

 
Dass die Faszination Start-up auch abseits der üblichen Fachmedien funktioniert, beweist seit 2009 die US-amerikanische ABC-Produktion Shark Tank. „Da müssen wir dabei sein“ dachten sich auch die eifrigen Deutschen und brachten mit „Die Höhle der Löwen“ ein für die nationale Fernsehlandschaft eher unübliches Konzept an den Start.

Ganz ohne Casting-Charakter kommt die Primetime natürlich nicht aus. Dennoch geht es in diesem Format darum, Produkte und Ideen vorzustellen und nicht darum, Menschen vorzuführen. Das Ziel der Teilnehmer: Kapital gegen Geschäftsanteile, berechnet anhand des Unternehmenswertes.

Doch auch hier findet sich für den besonnen Zuschauer Lästerpotential. Denn wenn die erfahrenen Investoren – oder in diesem Fall „Löwen“ – beherzt über eine zu hohe Unternehmensbewertung lachen, fühlt man sich auf der Couch direkt zum Mitlachen aufgefordert. Unabhängig natürlich davon, ob man die Berechnungsgrundlage tatsächlich verstanden hat. Aber dennoch: Verglichen mit dem übrigen Angebot dieser Tage, scheint „Die Höhle der Löwen“ ein guter Deal zu sein.
 

Gründen um des Gründen willens?

 
Zugegeben: Auch mich packt nach jeder Folge aufs Neue ein Gefühl der Rastlosigkeit und des Tatendrangs. Dieses führt aber im besten Fall zum Schreiben eines Einkaufszettels oder zum Kündigen des unwirtschaftlichen Handyvertrages. Andere hingegen scheinen vom Gründerfieber gepackt und beginnen umgehend mit dem Erstellen eines Businessplans. Dass Start-ups meistens auf guten Ideen und Begehrlichkeiten der potentiellen Konsumenten – sprich des Volkes – basieren, wird hierbei oftmals außer Acht gelassen. Wenn Biosuppen und Smoothies bei denen im Fernsehen funktionieren, warum dann nicht auch bei mir?
 

Kultur des Scheiterns

 
Dass der gute Wille für eine erfolgreiche Unternehmensgründung nicht ausreicht, haben viele Gründer bereits am eigenen Leib erfahren müssen: Jeder dritte Start-up-Gründer hat vor seinem jetzigen Unternehmen bereits einen Gründungsversuch einstellen beziehungsweise Unternehmen schließen müssen.

Ein klassisches Start-up definiert sich über seinen innovativen Geschäftsmodellcharakter. Ausgangssituation ist also eine Problemstellung, die es auf neuartige Weise zu lösen gilt. Zudem strebt ein Start-up nach signifikantem Unternehmenswachstum. Und last but not least ist natürlich die Bestandszeit eines Unternehmens kennzeichnend. Von klassischen Start-ups ist bei einer Existenz von bis zu zehn Jahren die Rede. Trotz des offensichtlichen Hypes und der prominenteren Platzierung dieser Thematik gab es 2015 mit 763.000 Gründern weniger Neuunternehmer als in den 15 Jahren zuvor.
 

Neues Produktdesign

 
Es ist also kein neuer Trend, der sich hier auftut. Vielmehr ein Produkt, das in einer neuen, cooleren Verpackung angeboten wird.

Natürlich sehen Magazine wie Business Punk ansprechender aus als die Wirtschaftswoche. Dennoch sind die Themen eigentlich dieselben, nur anders aufgemacht. Passenderweise trifft dieses Konzept auch auf viele Ideen, die in der Löwen-Show gepitcht werden zu: Die Produkte/Technologien sind nicht zwangsläufig neu, werden aber so ansprechend aufgearbeitet, dass ein Grünkohlsaft plötzlich nicht mehr mit Omas Vorratskeller assoziiert wird, sondern mit einem hippen Lokal in Berlin-Kreuzberg.

Der derzeitige Gründerwahn geht also viel eher auf den Selbstverwirklichungsdrang der heutigen Generation zurück, weniger auf einen größeren Ideenreichtum, als er vor einigen Jahren oder Jahrzehnten gegeben war. Und diese Einstellung ist – um es mit den Worten des neues Investorengesichts auf VOX Carsten Maschmeyer zu sagen – doch wirklich „löwenswert“.

 

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Bild: Sponchia unter CC0 Lizenz