Durchgesuchtet: „Black Mirror“, der Spiegel unserer Selbst

Der Zusatz „Durchgesuchtet“ passt hier eigentlich nicht, denn durchsuchten lässt sich die britische Science-Ficton-Serie „Black Mirror“ wirklich nicht. Das liegt zum einen daran, dass die Serie zu den Anthologien zählt, das heißt: Jede Episode erzählt eine ganz neue Geschichte, mit neuem Setting und neuen Charakteren, die in sich geschlossen ist. Kein Cliffhanger, keine Gefahr des Binge-Watchens, kein Durchsuchten also. Eigentlich aber hat das noch einen anderen Grund, und der ist wahrscheinlich der schwerwiegendere: „Black Mirror“ ist schwere Kost. So schwer, dass es oft die Schmerzgrenze übersteigt, manchmal Ekel provoziert und einen bitteren Nachgeschmack zurücklässt.

Schwer verdaulich also, aber faszinierend. Fast wie ein Unfall. Ein Unfall, der zwar noch Fiktion ist, aber oft gar nicht so abwegig scheint. „Black Mirror“ hält uns, wie der Name schon sagt, den Spiegel der verschrobenen, narzisstischen und naiven Facetten unserer Selbst vor. Und zwar den schwarzen Spiegel, von dem wir in Form unserer Laptops, Tablets, Fernseher und Smartphones ständig umgeben sind. Die Serie erzählt die Dystopie unserer digitalen Welt, mit Technologien und Medien, die zum Teil schon existieren, zum Teil nicht mehr so weit weg erscheinen. Produzent Charlie Brooker sagte einmal selbst: „Sie erzählt von der Art, wie wir alle leben und wir innerhalb von 10 Minuten leben könnten, wenn wir ungeschickt wären“.

„Black Mirror“ als Prophet unserer Zukunft?

Wie zum Beispiel in der dritten Folge der zweiten Staffel, „The Waldo Moment“. Die Episode dreht sich um die Cartoonfigur „Waldo“, ein blauer Bär, der mit Beleidigungen, sexuellen Bemerkungen und anderen Pöbeleien das Publikum unterhält. Im Laufe der Geschichte – Achtung, Spoiler alert – wandelt sich Waldo von dem Comedian, der sich im gerade anstehenden Kommunalwahlkampf über das Establishment lustig macht selbst zu einem Kandidaten, der schnell in der Beliebtheit steigt. Am Ende der Folge hat er die Weltherrschaft an sich gerissen. In der ZEIT wurde „Black Mirror“ damit gar als die Serie betitelt, „die Trump voraussah“.

Für mich gehört „The Waldo Moment“ nicht zu den besten, der bisher 22 Folgen der Serie, die seit der dritten Staffel auf Netflix läuft. Generell sind die Dystopien mal mehr, mal weniger ergreifend, aber immer mindestens gut. „The Waldo Moment“ zeigt so zum Beispiel eindrücklich, dass, so absurd manche der fiktiven Realitäten von „Black Mirror“ auch wirken, andere eben nicht so weit von der Realität liegen. Und genau mit diesem schmalen Grad zwischen Dystopie und Wirklichkeit kann die Serie zum Nachdenken anregen, nachdem der Abspann den Zuschauer vor dem „Black Mirror“ seines Bildschirms zurückgelassen hat.

Das liegt auch daran, dass die SciFi-Serie immer ohne „Happy End“, ohne Lichtblick auskommt – das nächste daran ist wahrscheinlich noch die fast melancholische Folge „San Junipero“ (Staffel 4, Folge 3), die die traurige Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen erzählt, die sich in einer virtuellen Realität treffen, in der Tote für immer als ihr junges Ich leben und die Lebenden fünf Stunden pro Woche verbringen können. Aber, aufgepasst: In einem Interview mit der New York Times ließ Charlie Brooker durchscheinen, dass uns die fünfte Staffel mit mehr Optimismus aufwartet. Allerdings trotzdem ohne Happy End. Wie die vorherigen Staffeln sollten wir diese also auch mit Vorsicht genießen. Und vor allem: Nicht durchsuchten.

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Bildquelle: Netflix