pathologie

Ein Tag als Praktikantin – in der Pathologie

Der Beruf – früher ging es darum, Geld zu verdienen, heute geht es um viel, viel mehr. Es gibt Jobs, bei denen die Anerkennung der Mitmenschen mit im Vertrag steht, jene, bei denen uns Spießer auf die Stirn tätowiert wird und andere, die zwar nett belächelt, aber eher für anspruchslos gehalten werden. „Du bist, was du machst“, mit diesem Spruch auf der Fahne fährt die Klischee-Kutsche durch unsere Gesellschaft und kommt nach wie vor nicht von ihrem Weg ab. Wir definieren uns und andere über unsere Berufe und sind genau deshalb auf der Suche nach dem einen, der uns erfüllt und ernährt. Aber was ist mit den Berufen die in Vergessenheit geraten sind, Angst machen, untypisch sind, von Sagen umwoben, abschreckend, unbeliebt, veraltet? Welcher Mensch möchte schon Metzger sein? Ist als Stewardess zu arbeiten wirklich eine niemals endende Reise? Was ein Boazn-Besitzer wohl so alles erlebt in einer Nacht? ZEITjUNG will’s wissen und schickt seine AutorInnen für einen Tag in die unterschiedlichsten Berufe, dieses Mal in die Pathologie.

„Viel Spaß bei den Leichen!“, rufen mir die Kollegen noch hinterher, als ich mittags die Redaktion verlasse, um mich auf den Weg zum Schwabinger Krankenhaus zu machen. Pathologie: das klingt nach Formalingeruch, Kühlkammern und Tatort-Folgen, nach Körperflüssigkeiten und Horrorkabinett. Einladend? Wohl kaum. Der Job des Pathologen genießt vermutlich einen ebenso schlechten Ruf. Wer will schon tote Menschen auf dem Seziertisch liegen haben, Tag für Tag?

Alfred Riepertinger will, und das schon seit 40 Jahren. Der Oberpräparator* des Schwabinger Krankenhauses empfängt mich auch nicht im kaltweißen Sektionssaal, sondern in seinem geradezu überwältigend begrünten Büro. Zwischen Kakteen, Schwarzweißfotos seiner Vorgänger und einem kleinen Zoo an Alligatorennachbildungen („Präparator, Alligator – das ist so ein alter Witz“) reden wir über den Tod. Das tun die Menschen nämlich sowieso viel zu selten, meint Riepertinger. Und räumt gleich mal das erste Vorurteil aus der Welt: mit Leichen hat der Beruf des Pathologen nämlich nicht mehr allzu viel zu tun.