Eine Idee Liebe: Warum gehen wir fremd, wenn wir doch glücklich vergeben sind?

Die romantische Liebe ist zum zentralen Motiv unserer Paarbeziehungen geworden. Dass sie der Kitt zweier Menschenleben ist, ist dabei eine noch recht junge Erfindung. Seitdem hat sich viel getan. In dieser Kolumne beschäftigen sich unsere zwei Autorinnen Lena und Rahel mit dem Ursprung der romantischen Liebe. Wo kommt sie her, wo will sie hin? Ist die Liebe zwischen Swipe links und Swipe rechts nur noch ein Produkt der Liebesökonomie?

Hast du dich selbst schon einmal in der Situation wiedergefunden, dass du in einer durchaus glücklichen und liebevollen Beziehung warst, du dich aber gleichzeitig nach anderen Lippen, anderen Händen und anderen Augen gesehnt hast?

Die meisten Menschen würden selbstbewusst von sich behaupten, dass sie monogam seien – zumindest in der Beziehung, in der sie gerade stecken. Auf lange Sicht sieht das Ganze jedoch schon ganz anders aus. Die Fremdgehquote folgt nicht gerade einem Abwärtstrend, sie steigt immer weiter an. Und auch die alljährlich berechnete Scheidungsrate ist mit einer Quote von 38,5 Prozent kein Kind von Traurigkeit. Wir leben in einem Zeitalter der seriellen Monogamie. Beziehungen werden am laufenden Band geknüpft und beendet. Und ja, vielleicht leben die besagten Menschen für diese Zeit tatsächlich monogam. Doch würden sie das auch, wenn sie ihre Beziehungen einmal ernsthaft durchziehen würden? Kurzgefragt, warum gehen so viele Menschen eigentlich fremd, obwohl sie ihren Partner lieben und eigentlich glücklich sind? Was genau erhoffen sie zu finden, wenn sie in den Armen eines anderen liegen?

Einige würden an dieser Stelle lautstark Einspruch erheben und sagen: „Wenn es wirklich Liebe ist, dann hat man derartige Gedanken und Gefühle gegenüber einer dritten Person nicht!“ Aber stimmt das wirklich? Kann man nicht jemanden lieben und sich gleichzeitig nach etwas Abwechslung sehnen? Ich bin überzeugt davon, dass dieser Wunsch oft aber sicherlich nicht ausschließlich an einer schon zerrütteten und gefühlskalten Beziehung liegt.

Denn..

..die Liebe hat sich seit dem letzten Jahrhundert enorm gewandelt. Wir lieben, um des Liebens willen und sind süchtig nach den Schmetterlingen in unserem Bauch. Die Liebe hat sich zum Selbstzweck entwickelt und bestimmt einen enormen Teil unserer Identität. Denn wir suchen nicht irgendeinen Partner, wir wollen jemanden, der perfekt zu uns passt, der unsere Bedürfnisse nach Sicherheit und Spannung stillt und uns rundum glücklich macht. Dabei geht es nicht um die andere Person als vielmehr um die Bestätigung unseres eigenen Egos. Wir wollen das Beste vom Besten, aber auf der Suche danach werden wir ständig nur enttäuscht. Wir suchen einen Menschen, der uns in ein schönes Licht wirft, bei dem wir selbst gut wegkommen. Und erfüllt er seine Aufgabe nicht zufriedenstellend, wird er ausgetauscht, denn Tinder und Co signalisieren uns, die Auswahl ist groß. Wir hetzen also einem Ideal hinterher, welches wir meinen, aus Büchern und Filmen zu kennen und wir zögern nicht ein einziges Mal, wenn wir uns wieder einmal trennen. Diese neue Interpretation der Liebe und unsere widersprüchliche Erwartungshaltung bilden das Fundament unserer Unzufriedenheit.