Eine Idee Liebe: Warum gehen wir fremd, wenn wir doch glücklich vergeben sind?

Die Liebe im Brennpunkt

Die Unvereinbarkeit von Sex und trauter Zweisamkeit – auf der einen Seite Abwechslung, Spannung, heißblütige Leidenschaft, und auf der anderen Seite Sicherheit, Geborgenheit und Fürsorge – versetzen die moderne Liebe in einen paradoxen Konflikt. Wider besseren Wissens beharren wir hartnäckig darauf, dass sich all das unter dem Stichwort Liebe finden lässt. Denn sie ist heute eben mehr als nur ein tolles Gefühl. Sie ist Nervenkitzel und Freizeitbeschäftigung. Sie ist das beste Mittel gegen die alltägliche Langeweile. Und genau darin findet sich auch der Grund dafür, dass so viele Menschen trotz glücklicher Beziehung fremdgehen.

Warum wir fremdgehen

Menschen gehen fremd oder sehnen sich danach, es zu tun, weil nichts auf der Welt sich so intensiv anfühlt, wie das Gefühl frisch verliebt zu sein. „Ich habe mich noch nie so lebendig gefühlt“, sagt der Bunjeejumping Springer und die Person, die sich gerade die schweißnassen Haare aus der Stirn wischt. Die Augen voller Leben und Begierde. Die Vorstellung, dass man nach jahrelanger Beziehung noch heißblütig übereinander herfällt, wie am Anfang der Beziehung, klingt zwar großartig, ist aber von der Realität weit entfernt. Man kann es schönreden, wie man mag, aber irgendwann brennt das Feuer eben nicht mehr so lichterloh, wie es das einmal tat. Die Furchen der Hände, jede Berührung, die gesamte Mimik ist bekannt und einstudiert. Da ist nichts mehr Fremdes, nichts prickelnd Neues. Und das ist auch vollkommen okay so. Liebe kann unter diesen Ansprüchen nur kläglich scheitern. Was uns stattdessen fehlt, ist ein realistisches Verhältnis dazu.

Doch die Problematik liegt noch tiefer

Dadurch, dass die Liebe zum Ausdruck unserer Individualität und Identität geworden ist, gewinnen wir etwas Elementares beim Dating mit anderen Menschen hinzu. Ein neues Selbstbild nämlich. Denn es geht beim Fremdgehen eben nicht um den anderen Menschen, vielmehr sehnen wir uns nach einem neuen Bild von uns selbst. Wenn wir in die Augen eines anderen Menschen blicken, spiegeln sie unser Ich in einem vollkommen anderen Kontext wider. Wir lieben aus Langeweile, weil das Leben irgendwann abgeklärt erscheint, als würde sich daran nichts mehr ändern, egal wie sehr man daran rüttelt. Zuerst kommt die Quarterlife-Crisis, dann die Midlife-Crisis, doch in Wahrheit kriselt es unser Leben lang.

Wem will man etwas vormachen? Liebe ist schön und gut aber der Gedanke an einen anderen Menschen ist atemraubend. Wir fühlen uns lebendig, flüchten vor unseren Problemen, vor unserem tristen Alltag, vor unseren Ängsten. Die Liebe als Antagonistin zum Tod macht uns forever young. Wer liebt, der lebt. Und vielleicht liegt genau hier der Grund, warum Liebe so süchtig macht und Fremdgehen so verlockend ist. Sie lässt uns das Leben wertschätzen. Sie holt uns in den Moment zurück und lässt uns vergessen, dass all das irgendwann einmal endet.