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Eva Husson über ihren Film BANG GANG: „Sie vögelt, wen sie möchte!“

Wonach suchen deine Teenager? Sie wirken eher rein hedonistisch als ausgeprägt rebellisch oder politisch.

Was sucht man als sechzehnjähriger Mensch, wenn man gelangweilt vom Leben ist? Liebe und Sex. Im besten Fall beides. Am Ende des Films sagt Gabriel, er gehöre einer kollabierten Welt an – und damit hat er Recht. Dinge haben sich verändert, es gibt zwangsläufig eine neue politische Beteiligung von Teenagern heutzutage. Noch vor einigen Jahren hatten europäische Kids, bis auf wenige Ausnahmen, keine Ahnung davon, was in der Welt vor sich geht. Nun stehen aber auch in Europa die Terroristen vor der Tür. Alle müssen sich nun fragen: Wie können wir damit umgehen, wie können wir Humanisten bleiben in dieser Welt? Ich denke, diese Kids werden sehr viel politischer sein als ihre Vorgänger. Sie werden ihre Demokratie und ihre Menschenrechte verteidigen müssen.

 

Die Protagonistin George symbolisiert offensichtlich eine neue weibliche Form der sexuellen Selbstbestimmung. Sie schlägt den Gruppensex in der Clique vor und schämt sich nicht im Geringsten für das, was sie tut. Haben wir es heute mit einer neuen Ära des Feminismus zu tun?

Ich wünschte, es wäre so. Ehrlich gesagt habe ich eher das Gefühl, wir machen einen Schritt zurück. Als Teenager und vor allem als Frau habe ich es oft erlebt, dass Frauen nicht offen zeigen können, was sie sich wünschen – besonders auch im Film. Das ist nicht normal. Weibliche Protagonistinnen machen nur ungefähr 30 Prozent in großen Spielfilmen aus. Gut die Hälfte davon ist sehr passiv, spielt lediglich die Rolle der Verliebten. Sie agieren als Mädchen, nicht als sexuell bestimmte Personen.

In Bang Gang habe ich versucht, die Rollen umzudrehen. Gabriel hat hier typisch weibliche Attribute. Er ist sehr in sich gekehrt, verliebt sich auf den ersten Blick in George, die sowohl einen maskulinen Namen als auch viele männliche Eigenschaften trägt. Sie vögelt, mit wem sie möchte und es ist ihr egal, was andere davon halten. An solche Charaktere sind wir noch nicht gewöhnt (lacht).

 

In manchen Szenen wirkt die starke und unabhängige George jedoch wie ein kleines Mädchen. Mit einem buntem Lutscher, Zöpfen, geblümten Unterhosen und Unterhemden.

Ja, genau. Sie ist ja auch erst sechzehn, sie ist noch ein Mädchen, das mitten im Erwachsenwerden ist. Sie pendelt in ihrer Verwandlung zwischen Kind und Frau sein. Das bringt diesen extremen Kontrast hervor.

 

Inwiefern setzt sich dein Film mit Weiblichkeit und einem Angriff auf diese auseinander?

Es ist eine Tragödie, dass sich auch heutzutage noch Männer dazu berechtigt fühlen, Frauen als sexuelle Auffangbecken ihrer eigenen Befriedung zu behandeln, unabhängig davon, wie sich Frauen sich dabei fühlen. Es macht mich komplett wahnsinnig – vor allem, da ich selbst schon so oft von etwas in der Art betroffen war. Was in Köln an Silvester passiert ist, hat mich geschockt, besonders der mediale Umgang damit. Ich dachte mir nur: Warum reagieren die Menschen nicht intensiver auf so etwas? So weit ich weiß, wurde nur eine einzige Person von 500 schuldig gesprochen. Das ist nicht richtig.

 

Wie geht die heutige Gesellschaft deiner Meinung nach in so einer Situation mit Frauen um?

Die Gesellschaft tendiert dazu, Frauen immer als potentielles Opfer darzustellen. Das hat auch mit unserer eigenen Repräsentation zu tun – in der Literatur, im Film und in den Medien. In meinem Film wollte ich unbedingt verhindern, dass George sich von jeglichem Slutshaming davon abringen lässt, was sie gerne tut. Sie trägt keinerlei Schuldgedanken mit sich und lässt sich nicht als Schlampe oder Opfer stilisieren – denn das ist sie nicht.

Ich bin dankbar, dass wir uns jetzt wieder Feministen nennen dürfen. Lange Zeit war es fast verpönt, dem Begriff schwang immer etwas Aggressives und Extremes bei. Als ich sechzehn war, durfte ich nicht laut aussprechen, dass ich mich als Feminstin fühle – erst später habe ich begriffen, dass ich es den anderen Frauen schuldig bin. Den Frauen, die für Rechte gekämpft haben, die wir alle für selbstverständlich hielten.

 

Am Set deines Filmes nannte man dich „Mary Poppins of sex orgies“. Wie war es für dich und deine Jungsschauspieler, solch prägnante Szenen zu drehen?

(lacht) Alle Darsteller sind tatsächlich zwischen 18 und 25 Jahre alt. Die zwei Monate Drehzeit waren wie ein sehr intensives Sommercamp. Es war wunderbar und schwer zugleich… Junge Menschen müssen stärker daran arbeiten, eine Distanz zwischen sich und ihrem dargestelltem Charakter aufbringen. Ich habe versucht, ihnen dabei zu helfen, indem ich vor Ort immer bei allem für sie da war. Drei Monate vor Drehbeginn bin ich jedoch Mutter geworden, dementsprechend war ich nach Feierabend bei meiner Familie und auch nicht verfügbar. Die Schauspieler mussten zu dem Zeitpunkt ihre Rolle als junge Erwachsene wahrnehmen, in der ich ihnen nicht zur Seite stehen kann. Es war spannend zu sehen, wie autonom sie mit der Zeit geworden sind.

 

Und welche Reaktion erhoffst du dir im Stillen, wenn das Publikum deinen Film sehen wird?

Es wäre vermessen zu sagen, die Menschen müssen etwas Bestimmtes dabei fühlen. Ich hoffe nur, dass es in den Menschen ein kleines Echo erzeugt. Dass sie an ihr eigenes Leben, an ihre Liebe und ihre Geschichte denken, die sie hatten, als sie im Teenageralter waren. Das wäre das schönste Geschenk, da genau das auch der Grund dafür ist, dass ich Filme mache.

 

Mehr Infos unter: http://pierrotlefou.de und Facebook

 

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Bildquelle: Titelbild via Screenshot