Fachwort-Geschwurbel in der Uni: Eine Abrechnung
Ich finde es schon abschreckend genug, wenn die Texte, die für ein Seminar gelesen werden müssen und dafür penibel sorgfältig im LSF oder auf einer avantgardistischen Dropbox hochgeladen werden, über 50 Seiten haben. Aber wenn man auf diesen 50 Seiten dann außer so Klassikern wie „ist“, „er“ und „und“ fast nur Fremdwörter vorfindet, für die es meist total äquivalente hochdeutsche Termini gibt, dann ist das vor allem eines: zum Kotzen.
Prätentiöse, kackhabituelle Ausdrucksweisen
Im Ernst, Sätze wie diesen musste ich zum Beispiel für letzte Woche lesen: „Ausgangsüberlegung des vorliegenden Bandes ist die These, dass Filme die Medialität von (anderen) Medien beobachten und darüber reflexive Potentiale generieren können, die in doppelter Hinsicht wirksam werden: als Reflexionen der eigenen (filmischen) Medialität wie der beobachteten ‚fremden‘ Medialität, also als Vermessung von Abstand und Nähe zwischen den dergestalt relationierten Medien, als Behauptungen von Affinitiät/Identität und Differenz, mithin als Selbst- und Fremdkonstruktionen.“
Was waren jetzt noch mal Reflexionen? Aber keine Sorge, auch das hat der Autor für uns Dummerchen wunderbar verständlich aufgebrochen: „Reflexion bedeutet also – befreit man die Definition von ihrem antrhopo- und logzentrischen Reduktionismus – eine auf das Eigene (und zugleich auf das Andere) bezogene, prüfend-fragende Vergleichspraxis zum Zwecke der Selbsterkenntnis.“ Na, also. Das war jetzt wirklich nicht so schwer, man muss das Ding doch nur aus den Ketten seines anthropo- und logozentrischen Reduktionismus befreien.
Der Adelstitel von gestern ist der Doktortitel von heute
Ich denke, man wird mich verstehen, wenn ich sage, dass ich spätestens da aufgehört habe, weiterzulesen. Wieso machen Autoren so was? Tja, in der Uni ist die Antwort auf diese Frage sogar ziemlich leicht zu beantworten: Der Großteil der Fachliteratur, die man in einem Seminar an die Hand gereicht/aufgezwungen bekommt, ist von Autoren geschrieben, die sich dadurch profilieren müssen. Die sich durch ihr Geschwurbel von dem (studentischen) Pöbel abheben wollen, und uns damit signalisieren: Ich, einfach etwas Besseres! Ich bin Wissenschaftler. Nenn mich Doktor. Nenn mich Magister. Nenn mich Dekan, Baby!
Gut, wenn sie sich an ihrem akademischen Wissenschaftssprech aufgeilen können, dann lassen wir ihnen den Spaß. Wir müssen ja nicht alles lesen. Der absolute Super-GAU ist nur, wenn Kommilitonen ein paar Fleißsternchen verdienen wollen und meinen, sie müssen sich auch durch diese Fachjargonmühlen jagen lassen. Die im Seminar die banalsten Dinge mit Worten wie Schisma – längst obsolet geworden, nebenbei! – und ontologischer und transformationaler Intermedialität erklären. Nur um uns und dem großen Vorbild, Prof. Dr. Hochwürden, das Gefühl zu geben, sie seien intellektueller als, genau – der Pöbel.
Die Konstruktion eines intellektuellen Selbst – oder Fremdwortprostitution?
Versteht mich nicht falsch: Ich liebe Sprache! Ich liebe es mit Sprache zu spielen, aber man muss sie nicht unnötig aufblähen wie einen toten Kadaver, der zu lange in der Sonne gelegen hat. Aber hey, wenn ihr so darauf steht: Letztes Semester bin ich bei einem Essay über die Authentizität von Facebookprofilen zu dem Schluss gekommen: „Aber es kann eine Konstruktion eines neuen digitalen Selbst sein, das durch seine Einzigartigkeit und die ephemere Qualität seiner Performance in sich authentisch ist.“ Ich bekam eine 1,0. Die ephemere Konstruktion eines intellektuellen Selbst – oder einfach nur Fremdwortprostitution? Man hat ja letztlich doch keine Wahl: Und muss mitspielen, um nicht zu verlieren.