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Flüchtlinge Fressen: Bundesregierung spielt Imperator

Von Laura Maria Drzymalla

Vor einer Woche sollte die Bundesregierung ihre Entscheidung verkünden, ob 100 ausgewählte Flüchtlinge ohne gültiges EU-Visum an Bord des Flugzeugs Joachim 1 nach Deutschland einreisen dürfen. Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, erklärte diesen Tagesordnungspunkt nun „nicht als Thema der heutigen Kabinettssitzung“. „Die Bundesregierung ist grundsätzlich der Auffassung, dass eine Einreise in die Bundesrepublik Deutschland mit den notwendigen Erlaubnissen über die deutschen Konsulate erfolgen sollte“, so die Politikerin. Diese bis jetzt nicht viel aussagende Entscheidung beruht auf der provokanten Kunstaktion „Flüchtlinge Fressen“ in Berlin-Mitte.

Heute morgen wurde das Flugzeug, das offiziell für den „Transport von Statisten eines Theaterstücks“ eingesetzt werden sollte, offiziell am Abflug gehindert, nachdem die Bundespolizei das Flugunternehmen informiert hat. 100 Flüchtlinge werden jetzt direkt Klage gegen die Bundesregierung einreichen, um im Wege des Eilverfahrens eine Einreiseerlaubnis nach Deutschland zu erhalten. Konkret bedeutet dies, dass sich heute um 18.45 Uhr auf Protest Flüchtlinge öffentlich von vier Tigern zerfleischen werden.

 

Was fordert die Aktion „Flüchtlinge Fressen“?

 

Mitten in Berlin vor dem Marxim Gorki Theater wurde eine vergitterte Arena aufgebaut, in der vier wilde Tiger gehalten werden. Die provokante Kunstaktion nennt sich „Flüchtlinge fressen – Not und Spiele“. In diesem Szenario werden Politiker der Bundesregierung als römische Imperatoren dargestellt, die willkürlich über das Überleben von flüchtenden Menschen aus Syrien entscheiden: Quasi Daumen hoch oder Daumen runter. Im alten Rom entschied das Volk im Circus durch Auf oder Ab des Daumens über das Leben der Gladiatoren. Wissenschaftler sind jedoch mittlerweile überzeugt, dass der hochgestreckte Daumen damals das Gegenteil von dem bedeutete, was wir heute damit verbinden: Der aufgerichtete Finger sei nämlich das Sinnbild für das tödliche Schwert gewesen. Sollte der Gladiator begnadigt werden, so steckte man dagegen den Daumen in die Hand – Schwert in der Scheide – oder drückte ihn auf den Zeigefinger, so wie wir heute jemandem »die Daumen drücken«.

 

Künstler setzen damit die deutsche Bundesregierung unter Druck, die umstrittene EU-Richtlinie 2001/51/EG abzuschaffen. Sie wollen die Änderung des Paragrafen 63 des Aufenthaltsgesetzes erreichen, in welchem Absatz 3 die Beförderung von Ausländern ohne Papiere verbietet. Fluggesellschaften, die Flüchtlinge ohne gültiges EU-Visa transportieren, erwartet massive Geldstrafen – somit sei laut Aussage der Initiatoren dieser Paragraph dafür verantwortlich, dass tagtäglich Menschen auf dem Weg nach Deutschland sterben, nachdem sie vor Krieg und Hunger geflohen sind.

 

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Konkret fordern die Künstler, 100 geflüchtete Syrer aus der Türkei nach Deutschland einfliegen zu lassen. Dafür wurde eigens eine Website eingerichtet, welche das durch Crowdfunding finanzierte Flugzeug Joachim 1 präsentiert – die erste Maschine der Flugbereitschaft der Deutschen Zivilgesellschaft. Joachim 1 wartet an einem deutschen Flughafen auf seine historische Mission: Am 28.6.2016 sollen syrische Familien nach Berlin eingeflogen werden. Welche das sind, können wir selbst in einer Art absurdem Votingverfahrens per Mausklick entscheiden. Es erinnert an eine Castingshow à la „Leider haben wir heute kein Flugticket für dich! Du bist hiermit aus dem Leben entlassen.“ Die Klick-Option „soll sterben“ ist an dieser Stelle jedoch viel mehr ein Symbol, als ein tatsächlicher Akt mit Konsequenzen.

 

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