Joanna Stein Sex Kolumne

Frag Joanna! „Warum masturbiert mein Partner noch?“

Birds do it, bees do it, even educated fleas do it… Wir Menschen machen es auch, denn mal ehrlich, wir sind alle sexuelle Wesen. Wir können gar nicht anders. Blöderweise kommt uns aber manchmal die von Cole Porter beschriebene Leichtigkeit abhanden, wenn wir mit nackten Tatsachen konfrontiert sind. Plötzlich sind da Unsicherheiten, Untiefen, Situationen; Dinge sind nicht mehr taghell oder nachtschwarz. Oft bewegen wir uns in den grauen, schattigen Zwischenräumen. Und dann? Für Dr. Sommer sind wir zu alt, unsere Freunde wissen auch nicht alles und manches wollen wir sie lieber nicht fragen. Pornos beantworten einige Fragen, können aber auch neue aufwerfen. 

Geht’s dir auch so, ab und an? Wir haben uns Sexualpädagogin Joanna Stein ins Team geholt. Von nun an wird sie in ihrer Serie eure Fragen rund um die schönste Sache der Welt beantworten.

 

Frage: Ich, 26, w, bin seit fast einem Jahr in einer glücklichen Beziehung und habe ein erfülltes Sexleben mit meinem Partner. Wir haben öfter oral und anal Sex und probieren neue Sachen aus. Mein Freund liebt es, mich um sich zu haben und würde gerne mit mir zusammenziehen. Insgesamt verbringen wir sehr viel Zeit miteinander. Aber obwohl wir jeden Tag Sex haben, habe ich mitbekommen, wie er öfters heimlich masturbiert hat. Dadurch bekomme ich das Gefühl, dass ich ihm nicht genüge und bin ehrlich gesagt auch sauer, dass er sich nicht zurückhalten kann. So etwas würde mir nicht in den Sinn kommen, wenn ich weiß, dass mein Freund ein Zimmer weiter ein Buch liest. Prinzipiell finde ich masturbieren nicht schlimm, aber diese Situationen sind unglaublich unangenehm und ich weiß auch nicht, ob und wie ich ihn darauf ansprechen kann.

Antwort: Selbstbefriedigung ist, das sagst du ja selbst, nichts schlimmes. Beinahe alle Menschen tun es. Folgt man aktuellen Studien, dann verschaffen sich 94 Prozent der Männer und 85 Prozent der Frauen mindestens einmal im Monat in Eigenregie einen Orgasmus. Die Männer, die es sich selbst machen, beschäftigen sich dabei im Schnitt 10 mal im Monat mit sich selbst, Frauen nur einmal. Da hast du schon mal einen ersten Hinweis, warum dein Freund da möglicherweise öfter Lust drauf hat und du eher selten.

Selbstbefriedigung kann ganz viele Funktionen erfüllen. So kann zum Beispiel sexuelle Lust ausgelebt werden, auch wenn kein entsprechender Partner verfügbar ist, das liegt ja auf der Hand. Innerhalb einer Paarbeziehung kann Solosexualität einfach eine weitere Spielart des Sexlebens sein oder Bedürfnisse befriedigen, die in der Partnerschaft nicht ausreichend erfüllt werden. Und natürlich ist aus Spaß an der Freude auch ein guter Grund. Why not?

 

Kein Grund zur Sorge

 

Du hast da jetzt aber ein ungutes Gefühl, nicht genug zu sein, und das macht dich sogar sauer und lässt dich am Zusammenziehen mit deinem Freund zweifeln. Wenn ihr, wie du schreibst, ein offensichtlich erfülltes – jeden Tag, hallo? – und auch experimentierfreudiges Sexualleben habt, dann gibt es wohl kaum Grund für deine Sorge! Trotzdem darfst du ihm das – bezogen auf deine Unsicherheit – natürlich sagen und fragen, ob es denn Dinge gäbe, die er gerne ändern würde. Damit er sich aber auch weiterhin ohne Gedankenschranken selbst befriedigen kann, macht es, glaube ich, Sinn, dass du erstmal versuchst, deinen Ärger im Gespräch über dieses Thema runterzuschlucken. Sagst du ihm deutlich, dass dir das unangenehm ist und du sauer bist deswegen, dann klappt das bei ihm wahrscheinlich nicht mehr so gut und der daraus möglicher Weise entstehende Groll kann eure Beziehung ganz schön ins Wanken bringen.

 

Jeder braucht auch Zeit für sich

 

Denn: das Masturbieren wirst du ihm nicht nehmen können. Selbstverständlich darf er das machen, egal wie ihr euch räumlich gerade aufhaltet. Wenn du, um dein Beispiel aufzugreifen, gerade im Nebenraum ein Buch liest, dann darf er schon davon ausgehen, dass er ein bisschen Zeit für sich hat. Und das gilt logischerweise auch für den Fall, dass ihr zusammenzieht. Ihr bleibt ja schließlich weiterhin eigenständige Menschen – und dazu gehört eben auch, dass man manchmal Lust auf sich selbst hat.

Und um ganz ehrlich zu sein: was soll der gute Mann denn machen? Kurz rüberkommen und sagen, du, ich hol mir jetzt mal eben einen runter, kannst du mich für Zeit X in Ruhe lassen? Das ist ja wohl der Lustkiller schlechthin, es sei denn natürlich, er fragt, ob du auch Hand anlegen willst. Mach dich da ein bisschen locker und leg bitte nicht deinen Maßstab an ihn an. Du magst das selbst nicht wollen, das bedeutet aber nicht, dass er auch so denken muss. Versuch, dich da gedanklich ein bisschen freier zu machen und erlaub dir vielleicht auch einfach mal das Gleiche! Vielleicht merkst du dann, dass es manchmal gerade durch die Anwesenheit einer Person in benachbarten Räumen spannend wird.

Klar, machmal kann Zurückhaltung seinerseits auch angesagt sein, es gibt auch ein zuviel des Ganzen oder unpassende Zeitpunkte. Nach Jahrhunderten, in denen Onanie tabuisiert und sanktioniert wurde, ist es trotzdem gut, diesen Teil der Sexualität auch offen leben zu können, egal welche Funktion er gerade erfüllt.

Also: Lass ihn mal machen, und noch besser: Mach’s dir auch selbst!