Apathie in der Freundschaft

„Deine gute Laune nervt.“ – Wenn Freunde sich nicht mit dir freuen

Die Freude ist ganz meinerseits? I doubt it.

Wenn wir uns eines eingestehen müssen, ist es die Tatsache, dass in einer Freundschaft die Waage zwischen Apathie und Empathie nie ganz im Gleichgewicht steht und die Reaktionen auf gute oder schlechte Nachrichten in einem Freundeskreis von Mensch zu Mensch variieren. Apathie oder Neid? Wie viel Apathie ist gesund für eine Freundschaft? Um dieses Phänomen näher zu beleuchten und um die Frage zu klären, wie gesund zu viel Apathie und Neid für eine Freundschaft ist, haben wir eine Expertin zu Rate gezogen. Die Münchner Diplompsychologin und Psychotherapeutin Ingrid Mieck hat uns bei der Klärung so mancher Fragen geholfen und verrät uns, dass auch sie sich bereits öfter über dieses Phänomen Gedanken gemacht hat. Gegenüber ZEITjUNG sagt sie: „Für mich hängt die Qualität einer Freundschaft wesentlich davon ab, dass die Freude des einen auch vom anderen geteilt werden kann. Ist das nicht der Fall und reagiert der andere gar negativ auf die mitgeteilte Freude, würde ich die Freundschaft deswegen in Frage stellen. Ich habe mal gehört, man finde immer jemanden, der am eigenen Leid teilnimmt, aber sehr schwer jemanden, der die Freude teilt. Wenn ich dem in meinem eigenen Leben begegnet bin oder wenn mir darüber berichtet wurde, fiel mir auf, dass es verschiedene Abstufungen gab: von bissigen Bemerkungen bis hin zu unverhohlen geäußerter Wut.“

Eingeschränkte Empathie

Wegen einem einmaligen Desinteresse allerdings direkt die Freundschaft zu kündigen, wäre definitiv ein Schritt zu viel. Natürlich hat jeder Mensch auch mal schlechte Tage und mit Sicherheit können viele unter uns sich an einem Mittwoch mehr für andere Menschen freuen als an einem Montagmorgen, wenn sie selbst nicht gerade besonders gut aufgelegt sind. So ähnlich sieht das auch Diplompsychologin Mieck: “Man sollte akzeptieren, dass jemand, dem es schlecht geht, erstmal mit sich selber und seinen Themen beschäftigt sein kann und die Empathie für andere dadurch eingeschränkt ist. Das kann dann von dem jeweils anderen als mangelndes Interesse an der eigenen Person ausgelegt werden, er sollte aber berücksichtigen, dass der Kanal des anderen einfach zu ist. Wichtig und mit dem Thema zusammenhängend ist, dass auf der anderen Seite derjenige, der gerade ein Problem hat und deshalb nicht zur Empathie fähig ist, akzeptieren kann, dass es dem anderen gerade besser geht. Andernfalls entsteht eine gegenseitige Unzufriedenheit.“

Neid oder Desinteresse am Leben des Anderen?

Die Frage, die bis hier nun noch vollkommen unbeantwortet ist, ist die, ob es sich bei der Apathie des Gegenübers eigentlich um Neid oder Desinteresse handelt. Häufig bekommt man nämlich nicht nur ein Schweigen oder ein schlecht gelauntes „Wow, deine gute Laune ist anstrengend“, sondern auch ganz andere Töne, die einem jegliche gute Laune schnell vermiesen. Manchmal scheint es sogar, als kämen einige Menschen nicht damit klar, wenn es Freunden besser geht als ihnen. Möchten manche also tatsächlich einem Freund eher ein schlechtes Gewissen einreden, um nicht alleine mit schlechter Laune am Tisch zu sitzen?

Ingrid Mieck erklärt: „Ich würde zustimmen, dass derjenige, der den anderen verletzt, weil es dem für seinen Geschmack zu gut geht, dadurch einen ‚Mitleidenden‘ produzieren möchte, mit dem er dann gemeinsam leiden kann – nach dem Motto: Geteiltes Leid ist halbes Leid. Allerdings denke ich auch, dass in Zeiten mit höher werdendem Konkurrenzdruck auch der gegenseitige Neid  größer wird und dass damit in unserer Zeit der knapper werdenden Ressourcen das von Ihnen angesprochene Phänomen noch häufiger vorkommen dürfte als zu anderen Zeiten. Die Gen Y wurde in einer Zeit erwachsen, in der die Ressourcen begannen, knapper zu werden und dadurch der gegenseitige Konkurrenzdruck wuchs. Da könnte dann auch die Befürchtung eine Rolle spielen, dass der glücklichere zum Alpha-Tier und man selber in den Hintergrund gedrängt wird.“