Fabio Frutarier Ernährung Lifestyle

Fabio, 23, ist Frutarier

Für viele von uns wäre ein veganer Lifestyle undenkbar. Schließlich müssten wir auf einen Großteil unserer alltäglichen Nahrung verzichten und diese durch nicht-tierische Produkte ersetzen, was nach ziemlich viel Arbeit und Pickerei klingt. Keine Milch? Keine Eier? Und kein Fleisch? Das hört sich schon ziemlich heftig an. Wie können wir uns unter diesen Voraussetzungen dann vorstellen, dass sich Leute ausschließlich von Früchten ernähren? Für Steak-Lover und Tofu-Fans der absolute Untergang.
Für den 23-jährigen Frutarier Fabio ist es das Normalste der Welt. Schließlich ernährt er sich schon seit längerer Zeit ausschließlich von Melonen, Weintrauben, Kirschen und Co. Das beweisen auch sein Instagram-Account und YouTube-Channel, auf denen einem die Farbenpracht sämtlicher Früchte entgegenspringt, von denen einige von uns nicht mal wussten, dass sie existieren. Wie er überhaupt dazu gekommen ist, sich frutarisch zu ernähren, welche Mangelerscheinungen damit einhergegangen sind und ob diese schier eintönige Ernährung einen irgendwann nicht ankotzt – seine Sicht der Dinge hat er im Gespräch mit ZEITjUNG verraten.

ZEITjUNG: Erzähl mal etwas über dich. Welcher Tätigkeit gehst du nach?
Fabio Bellanova: Ich habe zwei Studiengänge abgebrochen: Wirtschaftsinformatik und Psychologie. Zu der Zeit war ich ein bisschen depressiv und verloren. 2017 bin ich mit einer Freundin nach Australien gefahren und während den neun Monaten habe ich online eine vegane Ernährungsberaterausbildung an der Uni gemacht. Gerade eben habe ich eine Ausbildung zum regenerativen Entgiftungsspezialisten abgeschlossen. Momentan arbeite ich in einem vegan-glutenfreien Restaurant und versuche, so viel es geht an YouTube, Instagram und meiner kommenden Website zu arbeiten.

Wie bist du darauf gekommen, dich frutarisch zu ernähren? Seit wann bist du Frutarier?
Meine Mutter hat immer selbst und relativ gesund gekocht und trotzdem hatte ich immer sehr viele Gesundheitsprobleme wie chronische Bronchitis, Neurodermitis und Allergien. Irgendwann habe ich mich mit alternativen Heilmethoden beschäftigt und bin dann via YouTube auf einen Vortrag gestoßen, der besagt, dass die meisten Haupttodesursachen in der westlichen Welt alle mit Ernährung zusammenhängen. Dann habe ich vor 2,5 Jahren ein Selbstexperiment gemacht und mich 30 Tage lang vegan ernährt. Ich bin in der Zeit von Fast Food und kein Obst direkt über Nacht ins Vegane gegangen. Mir ging es, obwohl ich mich nicht vollwertig vegan ernährt habe, viel viel besser als davor, daher habe ich das beibehalten. Meine Allergien wurden auch besser. Daraufhin habe ich mich gefragt, ob es noch etwas Besseres gibt und ich komplett gesund werden kann. Dann habe ich mich mit dem Fasten und dem Rohveganen auseinandergesetzt. Ich habe das Buch von Professor Arnold Ehret gelesen, der sich mit reiner Obstkost geheilt hat und da hat es bei mir Klick gemacht, dass wir eine frutarische Spezies sind, weil wir am nächsten mit Affen verwandt sind, die hauptsächlich Obst essen. Der endgültige Schritt war dann der, dass ich dieses Jahr im Februar an einem Frutarier-Retreat in Bali teilgenommen habe. Da waren wir im tiefen Dschungel mit Frischwasserflüssen und tropischen Früchten. Eine Woche lang habe ich nur Obst gegessen. Mir ging es nie besser in meinem Leben. Und so bin ich Frutarier geblieben. Allerdings hatte ich manchmal Rückfälle und bei Stress ab und zu mal etwas Gekochtes gegessen. Das hat sich aber auch jedes mal direkt gerächt.

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Was bezweckst du mit deiner frutarischen Lebensweise?
Mein Impuls für die Ernährungsumstellung war meine Gesundheit. Aber es spielt noch viel mehr mit rein. Insbesondere bei der Massentierhaltung werden viele Ressourcen wie zum Beispiel Gemüse oder Land verschwendet. Beim Frutarismus ist es so, dass Obstkost den geringsten negativen Einfluss, was die Natur angeht, hat. Obst gab es dieses Jahr in Hülle und Fülle überall, weil die Obstbäume so gediehen sind und das ohne viel Wasser. Der Umweltaspekt ist auf jeden Fall ein hoher Faktor. Und, weil ich mich so selber am besten fühle.

Sobald ich Gemüse oder Gekochtes esse, fühle ich mich schlapp und unkonzentriert und werde schneller krank. Wenn man eine Weile nur Obst gegessen hat, kann man das mit high-sein vergleichen. Man kann das nicht in Worte fassen, sondern muss es spüren.

Ist das Verlangen manchmal nicht riesengroß, sich einfach mal eine Pizza in den Ofen zu schieben? Wie sieht Cheaten bei dir aus?
Im Sommer ist es mir sehr leicht gefallen, weil es da extrem heiß war und man weniger Gelüste auf Gekochtes oder schwere Nahrung hat. Da habe ich auch ein 47 tägiges Fasten absolviert, was ohne Probleme ging. Aber sobald es kälter wird und die Stimmung sich verändert, ist es auch für mich nicht leicht, nur Obst zu essen. Da habe ich in der Vergangenheit auch fast täglich gekocht und bin dementsprechend „komplett zurückgefallen“. Ich habe mir vegane Nudeln oder Pizza gemacht und bin in das andere Extrem gegangen, wobei ich weiß, dass das meinem Körper nicht gut tut. Ich finde diese Erfahrung aber auch wichtig und mache mich nicht verrückt, wenn ich mal wieder gekocht gegessen habe.

Bestimmt die Ernährung dich oder du die Ernährung?
Ich würde auf jeden Fall sagen, dass ich viel bewusster in meinen Aktionen geworden bin und mehr steuern kann, was ich in diesem Moment möchte und das ist nicht nur auf Ernährung bezogen. Wenn ich das mit meinem früheren Lebensstil vergleiche, habe ich nach einem langen anstrengenden Tag Comfort Food, zum Beispiel eine Pizza, gegessen. Da habe ich nicht zweimal drüber nachgedacht, das zu essen – wie ferngesteuert. Ich würde die Ernährung nicht als extrem, sondern als spezienspezifisch bezeichnen, da wir physiologisch und anatomisch dazu geschaffen sind, Obst zu essen. Deswegen ist es in dieser Hinsicht völlig normal. Nur dadurch, dass wir uns so weit von unserer natürlichen Ernährung entfernt haben, erscheint es für viele extrem. Aber generell würde ich sagen, dass diese Ernährungsform, obwohl sie was die Ernährung angeht trotz diverser Obstsorten „eingeschränkt“ ist, mich viel mehr befreit in meinem Denken und meinem Handeln und von meinen Ängsten.

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Wie hat dein Umfeld auf deine Umstellung reagiert? Wirst du beim Essengehen ausgeschlossen oder haben sich einige Leute von dir distanziert?
Meine Eltern sind sehr tolerant, was alles angeht. Allerdings ist es schon so, dass sie hinterfragen, ob das langfristig gesund ist. Letztlich habe ich mich schon seit 2,5 Jahren ausgiebig mit diesem Thema beschäftigt und kann alle Zweifel auch wissenschaftlich basiert erklären. Manchmal sind sie schon ein wenig besorgt, weil man durch den Entgiftungsprozess dünner wird. Aber Eltern wollen einfach, dass es ihren Kindern gut geht. Sie sind aber durchaus interessiert und offen.
Als ich mich vegan ernährt habe, bin ich noch ganz normal mit anderen essen gegangen, weil man sich in Restaurants immer etwas Veganes bestellen kann. Mittlerweile mache ich kaum noch etwas mit meinen Freunden von damals, weil die Interessen stark auseinandergehen. Ich treffe mich manchmal mit alten Freunden, aber nicht im Restaurant. Das Soziale ist nicht mehr so fokussiert auf das Essen. Dass sich jemand distanziert hat, würde ich nicht sagen – höchstens auseinandergelebt. Ich würde eher sagen, dass mehr Menschen, egal ob Freunde oder Fremde, neugierig sind und viele Fragen stellen.