Gen Z dreht den Spieß um: „Career Catfishing“ als Protest gegen unfaire Bewerbungsprozesse

Immer mehr junge Bewerb*innen der Generation Z reagieren auf die Frustrationen im Bewerbungsprozess mit ungewöhnlichen Maßnahmen. Anstatt sich den Anforderungen unzähliger Bewerbungsgespräche und langen Wartezeiten von Arbeitgeber*innen zu beugen, wenden einige das sogenannte „Career Catfishing“ an: Sie akzeptieren ein Jobangebot – erscheinen jedoch nie am ersten Arbeitstag. Wie Fortune berichtet, handelt es sich hierbei um eine Art Gegenschlag gegen die oft unpersönliche Kommunikation von Unternehmen.

Laut einer Umfrage des britischen Jobportals CV Genius unter 1.000 Arbeitnehmer*innen in Großbritannien gaben 34 Prozent der Generation Z an, schon einmal „Career Catfishing“ betrieben zu haben. Dieses Verhalten ist Teil eines größeren Trends, mit dem Arbeitnehmer*innen mehr Kontrolle über ihre Arbeitswelt erlangen wollen. Neben „Career Catfishing“ würden auch Strategien wie „Coffee Badging“ – das gelegentliche Auftauchen im Büro, um Präsenz zu signalisieren – und „Quiet Vacationing“, das heimliche Verlängern von Pausen, an Popularität gewinnen.

Ein angespanntes Arbeitsmarktumfeld

Die Jobsuche gestaltet sich für junge Menschen zunehmend schwierig. Die Zahl der Stellenangebote ist laut Plattform Handshake rückläufig, während gleichzeitig die Bewerbungszahlen steigen. Die Absolvent*innen des Jahres 2025 haben bereits 24 Prozent mehr Bewerbungen eingereicht als die vorherige Generation. Das schafft ein Klima intensiver Konkurrenz, in dem viele Bewerber*innen gezwungen sind, jede sich bietende Möglichkeit zu ergreifen, auch wenn diese später bereut wird.

Arbeitgeber*innen sind unterdessen kritisch gegenüber den Fähigkeiten junger Berufseinsteiger*innen. Nur 12 Prozent der befragten Führungskräfte halten Berufseinsteiger*innen für ausreichend vorbereitet, wie aus einer Studie des Weiterbildungsanbieters General Assembly hervorgeht. Rund ein Viertel der Befragten gibt an, keine Einsteiger*innen einstellen zu wollen.

Ghosting als Reaktion auf unpersönliche Prozesse

Nicht nur junge Arbeitnehmer*innen brechen die Kommunikation plötzlich ab. Eine Untersuchung von Indeed hat gezeigt, dass 74 Prozent der Arbeitgeber*innen selbst schon Kandidat*innen während des Bewerbungsprozesses ignoriert habnn. Viele Bewerber*innen der Generation Z sehen ihr Verhalten als Reaktion auf unangemessenes Vorgehen seitens der Unternehmen. Laut Monster würden mehr als ein Drittel derjenigen, die „Career Catfishing“ betrieben, dies tun, weil sie sich von einer*m Personalverantwortlichen schlecht behandelt oder getäuscht fühlten.

Auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz in Bewerbungsprozessen verschärft die Problematik. Automatisierte Systeme sortieren Bewerbungen oft aus, ohne dass diese jemals von einer menschlichen Person geprüft wurden. Dies trägt dazu bei, dass beide Seiten – Bewerber*innen und Arbeitgeber*innen – zunehmend desillusioniert reagieren.

Kein exklusives Problem der Generation Z

Laut Fortune ist das Phänomen des Ghosting keineswegs auf die Generation Z beschränkt. Eine Umfrage unter britischen Arbeitnehmer*innen hat ergeben, dass 18 Prozent der gesamten Arbeitsbevölkerung sich schon einmal dieser Praxis bedient haben. Ältere Generationen, wie die Millennials oder die Generation X, haben jedoch deutlich seltener Arbeitsverhältnisse ohne Vorwarnung beendet.

Das Verhalten des „Career Catfishing“ der Generation Z wird oft als Ausdruck ihres Wunsches nach mehr Autonomie interpretiert. Gleichzeitig führt es jedoch dazu, dass sie bei Arbeitgeber*innen einen zweifelhaften Ruf genießen. Diese bezeichneten die Generation Z laut Resume Genius als besonders herausfordernd in der Zusammenarbeit.

Ein Wandel in der Arbeitskultur

Obwohl das Verhalten der Generation Z kontrovers diskutiert wird, scheint es auch eine Reaktion auf größere strukturelle Probleme in der Arbeitswelt zu sein. Expert*innen wie Jourdan Hathaway von General Assembly fordern Unternehmen auf, den Umgang mit Berufseinsteiger*innen grundlegend zu überdenken. Der Fokus müsse stärker auf der Ausbildung und Integration von Nachwuchskräften liegen, um die Kluft zwischen unrealistischen Erwartungen und den tatsächlichen Fähigkeiten der Bewerber*innen zu verringern.

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Bild: Pexels; CC0-Lizenz