Genre Guide: Was ist eigentlich K-Pop und J-Pop?

Wenn der Beat in unseren Ohren dröhnt, sich Gänsehaut ankündigt und unsere Füße anfangen zu zappeln, dann möchten wir sie am liebsten auf ewig hören – diese Musik. Aber was hören wir da eigentlich? Unser Genre Guide hilft dir weiter. Alle zwei Wochen erklären wir dir einen anderen Musikstil. Dieses Mal gibt es K-Pop und J-Pop auf die Ohren.

Das Licht geht an, perfekt gestylte Körper in aufeinander abgestimmten Outfits betreten die Bühne. Die Musik setzt ein, die einstudierte Choreographie beginnt – und die Fans kreischen. Das ist die Blaupause des Auftakts eine Konzerts einer J-Pop- oder K-Pop-Band. Was steckt hinter diesem Musikstil, diesem Phänomen aus Fernost?

K-Pop und J-Pop: die Definition

Popmusik ist, wie wir in unserem Pop-Artikel schon weiter ausführten, ein breites Feld. Sprechen wir jedoch von K-Pop und J-Pop im engeren Sinne, lassen sich typischer Sound und Aufmachung dieser beiden Genres relativ genau bezeichnen. Mit K-Pop und J-Pop ist zunächst einmal, ganz basal, Popmusik aus Südkorea bzw. Japan gemeint. Eine typische K-Pop oder J-Pop-Band besteht aus mehreren Mitgliedern ist entweder rein weiblich oder männlich. Es ist das typische Boygroup- bzw. Girlgroup-Konzept, das hier herrscht: der/die Coole, der/die süße Verträumte, der Rebell/die Rebellin plus Nesthäkchen, dazu einstudierte Choreographien und eingängige Melodien. Diese Mischung bietet ein hohes Identifikations- respektive „Anhimmelungs“-Potenzial.

Dass die K-Pop- und J-Pop-Welt im wahrsten Sinne des Wortes jedoch noch mehr Business ist, als es bei europäischen und US-amerikanischen Bands der Fall zu sein scheint, belegen Fälle wie jener aus dem Juli 2019, welcher ehemalige Mitglieder der J-Pop-Band SMAP betrifft. So soll die Agentur „Johnny‘s & Associates“ drei Ex-Mitgliedern der Band verboten haben, in Fernsehshows aufzutreten. Die japanische Kartellbehörde stellte die Ermittlungen zwar wegen mangelnder Beweise ein. Aber: Der Umstand, dass eine Agentur derart extensiv darauf bedacht ist, dass ehemalige Mitglieder nicht nach Auflösung einer Band im Fernsehen zu sehen sind, verdeutlicht, wie sehr finanzielle Interessen und etwaige Imageschäden das Geschäft mit K-Pop- und J-Pop-Bands begleiten.

Es ist tatsächlich nicht unüblich, dass Verträge zwischen Agenturen und Bandmitgliedern in Japan so gestaltet sind, dass „die Bandmitglieder quasi wie Angestellte behandelt werden“ und sie „harte persönliche Einschränkungen“ akzeptieren müssen. Vielfach ist die Rede von „unter Hochdruck gecasteten, teilweise mit Schönheits-OPs perfektionierten Teenagerbands, denen Beziehungen und soziales Leben vertraglich verboten werden“, damit die Bandmitglieder solcher Bands „wie koreanische Justin Biebers gefeiert werden“. Inhaltlich speisen sich die Songs der Bands, ganz gemäß der jugendhaften Klientel, zumeist aus „Herzschmerztexte[n], die im Westen zwar kaum jemand verstehet, aber dennoch millionenfach geklickt und gehört werden“.

Verwandt und verschwägert

Die Tochter von: Pop

Bester Freund: Teen Pop

Hassliebe: Europop

Die kleine Cousine von: Dance-Pop

Können sich nicht ausstehen: Noise Pop

Verwechslungsgefahr mit: Bubblegum Pop

 

K-Pop und J-Pop: der Ursprung

Natürlich besaßen Japan und Südkorea schon in den 1950ern und 1960ern „eigene“ Popmusik, beispielsweise eigene Crooner im Stile eines Frank Sinatras oder auch typische Schlagersänger. Wir wollen hier mit dem Ursprung des K-Pop und J-Pop jedoch an dem Punkt beginnen, an dem diese Musik erstmals auch im Westen auf Anklang stoß. Hier ist vor allem die Band Yellow Magic Orchestra (YMO) zu nennen. Die Band gründete sich 1978, nicht nach dem oben erwähnten „Boyband“-Konzept, sondern war ursprünglich ein Ein-Mann-Projekt von Haruomi Hosono aus Tokio.

Mit der Zeit wurde aus YMO jedoch eine mehrköpfige Band, deren Sound man bis heute selbst in Europa und den USA zu schätzen weiß. YMO wurden unter anderem von Michael Jackson gecovert, haben die Detroiter Techno-Szene und die elektronische Musik bzw. den Synthie-Pop nachhaltig beeinflusst. Die Band, die man in etwa als „Kraftwerk aus dem Osten“ bezeichnen kann, war tatsächlich eine solche, die vielen heutigen Bands den Weg geebnet hat: „YMO split the difference between the cheeky poptimism of early post-punk and the sort of welling, larger-than-life quality of the biggest American popstars, in part paving the way for the sort of J-Pop that would continue to dominate Japan almost fifty years later.“ Und auch, wenn K-Pop und J-Pop heute zuvorderst etwas Hochkommerzielles sind, schätzen Kenner den japanischen Pop-Sound der späten 1970er und 1980er, wie ihn YMO verkörpern: „Die hybriden japanischen Sounds stehen für eine Kultur sanfter Kollisionen und für einen Optimismus, der die ständige Reibung sucht. So entsteht ein Sound, der sich nicht in Translation verliert. Die Grenzen zwischen Ost und West werden transzendiert.“

K-Pop und J-Pop: heute

Man kann von dem hochkommerziellen und moralisch fragwürdigem Konzept, das viele Agenturen im Bereich des K-Pop und J-Pop anwenden, halten was man möchte. Man kann ihn als „widerlichen, unerträglichen, musikalischen Müll“ bezeichnen. Fakt ist jedoch: Bands wie GOT7, Exo, BlackPink und vor allen Dingen BTS sorgen seit geraumer Zeit dafür, dass der Pop aus Fernost im Westen so erfolgreich und populär ist, wie wohl noch nie zuvor. BTS („Bangtan Sonyeondan“, zu Deutsch „kugelsichere Pfandfinder“) sind die erste südkoreanische Band, die es in den USA und im UK auf Platz eins der Album-Charts geschafft haben. Ihre Videos werden auf YouTube millionenfach angeklickt, und das nicht mehr nur von Fans aus ihrer Heimat. Ihre Konzerte werden als Kino-Events weltweit übertragen, wo Fans gemeinsam, häufig kostümiert, den Songs der Band lauschen. Dass sie in den USA zu Late-Night-Shows eingeladen und dort von bekannten Moderatoren wie Jimmy Fallon interviewt werden, untermauert den internationalen „Hunger“ nach K-Pop und J-Pop.

Darüber hinaus – immerhin sind wir in Japan, einem besonders videospielaffinen Land – sind auch Phänomene wie Hatsune Miku dem K-Pop und J-Pop zuzuordnen. Hatsune Miku ist kein Mensch aus Fleisch und Blut, sondern bloß eine animierte Figur. Aufgemacht voll und ganz entsprechend dem japanischen Klischee – türkis gefärbte Haare, knappe Schuluniform, zierliche Figur und große Kulleraugen – tanzt sie auf ihren Konzerten als Hologramm vor tausenden von Fans. Das Ganze umfasst auch ein Computerprogramm, die sogenannte Vocaloid-Software des japanischen Unternehmens Crypton Future Media, mit dem Fans selbst Songs für Hatsune komponieren können, eine zusätzliche Software macht es möglich, sie auch bestimmte Choreographien tanzen zu lassen. Dieses Konzept ist vielleicht (noch) nicht so massenkompatibel, wie ein Konzert von BTS. Aber immerhin lockte Hatsune Miku bei ihrem Konzert 2018 in Köln 5000 Fans an. Ein klarer Fall von Pop. J-Pop, um genau zu sein.

K-Pop und J-Pop: auf die Ohren, fertig, los

Rupert ist ein Illustrator und Designer aus München. Er arbeitet seit seinem Designstudium als freischaffender Illustrator und Designer, national und international hauptsächlich in der Musikbranche und im Editorial Bereich. Mehr findet ihr unter: www.rupertgruber.com.

Folge ZEITjUNG auf Facebook, Twitter und Instagram!

Bildquelle: Rupert Gruber