Gleichberechtigung: Zurück zu den Geschlechterrollen

Von Theresa Huber

Und ich dachte, ich sei ein starker, selbstständiger sowie emanzipierter Mensch. Und ich dachte, dass das Rollenbild, das mir meine Eltern vorgelebt haben, Lichtjahre von mir entfernt sei – weit gefehlt, liebe Freunde. Weit gefehlt.

Ich bin mit meinem Freund zusammengezogen. Vor fünf Monaten. Ich habe mich wacker geschlagen, würde ich sagen. Ich habe gekämpft. Aber heute muss ich zugeben: alles Mist. Von meinem Ideal einer gleichberechtigten Beziehung, in der beide Partner den Haushalt gleichermaßen führen, ist nur das Ideal übrig geblieben. Die Realität sieht anders aus und schockiert mich zutiefst. Ich bin es, die meist kocht. Ich bin es, die meist staubsaugt. Ich bin es, die meist das Bett frisch bezieht. Ich bin es, die meist das Klo putzt. Ich bin es, die meist die Spülmaschine ausräumt. Ich bin es, die meist die Pfandflaschen zurück bringt. Ich bin es, die meist die Blumen gießt. Ich bin es, die meist den Müll runter bringt.

 

Simone, reich mir mal den Putzlappen!

 

Wir haben beide unseren ersten festen Job. Wir arbeiten beide 40 Stunden die Woche. Der Job meines Freundes scheint ein bisschen anstrengender zu sein als meiner. Trotzdem könnten wir beide fast die gleiche Energie in den Haushalt investieren, finde ich. Aber wir tun es nicht. Es liegt nicht daran, dass mein Freund dreckiger wäre als ich und ein anderes Sauberkeitsverständnis hätte, nein, es ist so, weil es für ihn bequem ist. Weil es so wahnsinnig bequem ist, sich in die weichen Federn des traditionellen Rollenbildes fallen zu lassen. Vor allem, wenn ich mitmache. Und das, obwohl ich gewarnt wurde. Gewarnt durch das Burnout sowie die Unzufriedenheit meiner Mutter („Ich bin so froh, dass du studierst und mal keine Hausfrau werden musst.“). Gewarnt durch zahlreiche Zeitungsartikel (angeblich würde die Rollenverteilung bei Paaren mit dem ersten Kind noch traditioneller werden – Gott bewahre). Gewarnt durch meine Freundinnen („Verdammt, du wurdest doch nicht zu so einer selbstständigen Frau erzogen, die alleine durch Pakistan und den Rest der Welt reist, um dann beim erstbesten Typen, mit dem du zusammenziehst, den Kalk zwischen den Badfliesen wegzuschrubben.“). Gewarnt durch Simone de Beauvoir, die schon 1949 betont: „Man wird nicht als Frau geboren, man wird dazu [gemacht].“ Oh, Simone, wo bist du, wenn man dich am meisten braucht?

 

Was gibt’s heute zu Essen, Schatz?

 

Die britische Feministin Laurie Penny beobachtet dieses Szenario schon lange. Auch wenn die junge Frauengeneration reflektierter ihre Rolle hinterfragt, so ruscht sie doch allzu leicht wieder in ein traditionelles Rollenbild ab. Sie fordert deshalb, dass sich Frauen auch einfach mal zurücklehnen und mal so richtig faul sein sollen. Einfach mal auf der Couch rumgammeln, Videospiele zocken und dann den Freund mit großen Äuglein erwartungsvoll anschauen, was es denn heute Abend zu Essen geben wird. Doch das ist leichter gesagt als getan.

 

Zwei Drittel aller Frauen übernehmen die Hausarbeit

 

Ein bisschen Trost spenden mir diverse Studien, die besagen, dass ich nicht die einzige hausmütterliche Frau bin. So untersucht zum Beispiel die Studie „Beziehungen und Familienleben in Deutschland“ zum achten Mal das Geschlechterverhältnis im Haushalt. 6.100 Personen wurden im Rahmen des letzten von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierten Projekts befragt. Die Ergebnisse zeigen: „Herkömmliche Hausarbeiten wie Waschen, Kochen oder Putzen werden bei etwa zwei Drittel der Paare von der Frau erledigt (65%) und nur zu etwa einem Drittel von beiden gleich oft (32%). Ganz selten übernehmen diese Arbeiten die Männer (4%).“ Es lässt sich insgesamt sagen, dass „Frauen trotz aller Tendenzen zur Gleichberechtigung und trotz veränderter Geschlechterrollen nach wie vor den überwiegenden Anteil der Arbeiten im Haushalt übernehmen, insbesondere die täglich anfallenden Routinearbeiten.“

 

Nur theoretisch gleichberechtigt

 

Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich unbewusst sofort in traditionelle Rollenmuster falle, wenn ich mit einem Mann zusammen bin, den ich liebe. Seit langem bin ich schon Feministin und glaube uneingeschränkt daran, dass jeder Mensch ein Recht auf ein freies selbstbestimmtes Leben hat, ganz gleich, was Konventionen versuchen, uns aufzustülpen. Trotzdem schaffe ich es nicht, die Rollenmuster frühzeitig zu erkennen und aufzubrechen. Erst wenn es mehr als augenscheinlich ist, fällt es mir wir Schuppen von den Augen. Vielleicht liegt es an dem romantischen Bild, das ich von der Liebe habe: Vollkommene Hingabe bis hin zur vollkommenen Selbstaufgabe – aber das wird nicht funktionieren, wenn der andere das nicht im gleichen Maße tut und so auch nicht im gleichen Maße seinen Dreck wegputzt. Am Ende wird einer der Leidtragende sein und das ist leider meist die Frau. Ihr müsst echt aufpassen, wie die Haftelmacher, Mädels! Versprecht es mir und vor allem auch Simone.

Achja, auch, wenn das das Problem nicht wirklich beseitigt, sondern nur übertüncht: Wir haben uns jetzt eine Putzfrau genommen. So. Wir haben übrigens lange gesucht, aber einen Putzmann konnten wir nicht finden.

 

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Bildquelle: Nathan Walker unter CC0 1.0