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Herero und Nama: Deutschlands vergessene Verbrechen im heutigen Namibia

Im Geschichtsunterricht in der Schule liegt der Schwerpunkt oft auf der Aufklärung über die Gräueltaten Deutschlands während der Zeit des Nationalsozialismus, während die Rolle Deutschlands als Kolonialmacht häufig vernachlässigt wird. Dieses Ungleichgewicht führt dazu, dass wir die Verbrechen Deutschlands vergessen, die zum ersten Genozid des 20. Jahrhunderts geführt haben.

Der Herero-Aufstand und seine Folgen

Von 1884 bis 1915 übte das Deutsche Reich Kolonialherrschaft über das heutige Namibia aus. Während dieser Zeit kämpfte die einheimische Bevölkerung gegen die Unterdrückung und die brutalen Handlungen der Kolonialmacht. Der Höhepunkt dieses Widerstands war der Herero-Aufstand, der im Januar 1904 begann. Deutsche Siedler erwarben kontinuierlich größere Landflächen und vertrieben die einheimische Bevölkerung. Die indigenen Völker wurden Opfer von Misshandlungen und aufgrund rassistischer Ideologien als minderwertig eingestuft.

Die Lage verschärfte sich dramatisch, als im Mai 1904 General Lothar von Trotha das Kommando über die Schutztruppe übernahm. Er zwang zahlreiche Herero-Familien in die Omaheke-Wüste und versperrte ihnen den Zugang zu Wasserquellen, was zum Tod von Zehntausenden durch Verdursten führte. Anfang Oktober desselben Jahres erließ er den sogenannten Vernichtungsbefehl, der besagte, dass jeder Herero innerhalb der deutschen Grenzen, bewaffnet oder unbewaffnet, erschossen oder vertrieben werden sollte.

Ende 1904 erhoben sich auch die Nama gegen die deutschen Truppen. Die Auseinandersetzungen mit den deutschen Streitkräften dauerten insgesamt vier Jahre. Am 22. April 1905 wurde ein weiterer Vernichtungsbefehl gegen die Nama erlassen. Gefangene Herero und Nama wurden in deutschen Konzentrationslagern ermordet. Zwischen 1904 und 1908 sollen schätzungsweise 54.000 bis 74.000 Herero und Nama getötet worden sein. Etwa 80 Prozent der Herero starben infolge der deutschen Kolonialherrschaft.

Deutschland leugnet Völkermord

Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs wurden alle Kolonien gemäß dem Versailler Vertrag von 1919 Mandatsgebiete des neu gegründeten Völkerbundes. Südafrika erhielt vom Völkerbund das Mandat zur Verwaltung von „Deutsch-Südwestafrika“. Am 21. März 1990 erlangte Namibia seine Souveränität als unabhängiger Staat.

Über Jahrzehnte hinweg hat Deutschland den Völkermord an den Herero und Nama nicht offiziell anerkannt und keine ernsthafte Aufarbeitung betrieben. Obwohl seit den 1990er-Jahren Entwicklungshilfegelder an Namibia gezahlt wurden, waren diese formal keine Entschädigungszahlungen. Im Jahr 2002 reichten der Hereroführer Kuaima Riruako und weitere Herero vor einem US-Gericht Klagen in Höhe von zwei Milliarden US-Dollar gegen die Bundesrepublik Deutschland ein – jedoch ohne Erfolg.