„Hipster sehen alle gleich aus!“

Von Stefanie Witterauf

Unzählige Definitionen von Hipstern schwirren durch das Netz. Vollbärte, Hornbrillen, Skinny Jeans, alle Varianten von Undercutfrisuren, das gesamte Sortiment von Apple-Produkten, selbstgedrehte Zigarretten. Insgesamt bekommt man schon einen guten Eindruck, wer mit der Bezeichnung gemeint ist, obwohl sich die Erklärungen unterscheiden.

 

Subkultur ohne Mitglieder

 

Es ist ja auch schwer, eine Subkultur zu bestimmen, deren Mitglieder selbst die Zugehörigkeit zu der Gruppe verleugnen. Denn ein Hipster würde niemals auf die Idee kommen, sich selbst als solchen zu betiteln. Eine Jugendbewegung, die vor Widersprüchen nur so strotzt – mit dem Second-Hand Vintage-Lederrucksack ins neuste Café im In-Viertel der Stadt pilgert, um dort ein Stück veganen Kuchen zu essen und über den Tierschutz philosophieren.

Ironie des Schicksals, dass sich jetzt der französische Neurowissenschaftler Johnathan Touboul des sogenannten „Hipster Effekts“ angenommen hat. Touboul erklärt in seinem Aufsatz „The Hipster Effect: When Anticonformists All Look The Same“, warum alle Hipster gleich aussehen – auch anhand mathematischer Formeln.

 

Nerdbrillen wirken wie eine Uniform

 

Und das sollte für Ärger in der Subkultur sorgen, denn besonders auf den Mainstream reagiert der gemeine Hipster außerordentlich allergisch. Es geht um Individualität. Wie alle anderen sein? Niemals! Es wird sowohl bei der Wahl der Kleidung als auch bei Konzertbesuchen darauf geachtet, dass diese orginell, besonders, speziell sind. Dass Sneaker, Holzfällerhemd und Nerdbrille wie eine Art Uniform wirken, schwächt die Anti-Mainstream Passion meistens nicht.

 

Hipster sind zu langsam

 

Touboul erklärt, dass den Hipstern die Zeit zum Verhängnis wird. „Der Hipster-Effekt ist ein nicht-koordiniertes emergentes Phänomen übereinstimmenden Aussehens, das auftritt, wenn Menschen versuchen, sich anders anzuziehen.“ Sie sind einfach zu langsam. Wenn der gegenwärtige Trend zum türkisen Rennrad drängt, entscheiden sich die Hipster für ein gelbes. Doch in der Zeit, die dieser Entscheidung zu Grunde liegt, kommen auch andere Hipster auf die Idee, ihr Fahrrad gelb zu lackieren. Und auf einmal sind überall gelbe Rennräder – und nix ist mehr mit der Individualität.

Außerdem sei es schwieriger, sich von allen anderen zu unterscheiden, als zum Beispiel von den paar Mitbewohnern in der WG. Erstens sind es nicht so viele Menschen und zweitens sieht man sich regelmäßig. Schon in einer gut besuchten Vorlesung das unkonventionelleste Individuum zu sein, gestaltet sich als nicht erfüllbare Herausforderung.

Paradox, dass die Pioniere der Fashion-Szene zu langsam sind. Verzögerte Reaktionszeiten den Trend aufzuspüren und diesen anzuwenden, lässt also die Hipster gleich aussehen. Der „Hipster-Effekt“ ist übrigens nicht nur auf die von Ironie geprägten Subkultur anwendbar, sondern auf alle Jugendbewegungen.

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Bildquelle: Paul Neoclasic unter cc by-sa 2.0