Leben im Griff und doch kaputt? Die hochfunktionale Depression
Tagsüber arbeitet man, trifft sich und lacht mit Freund*innen und Familie. Doch sobald man abends nach Hause kommt, wird man von einer schweren Welle an negativen Emotionen und Gedanken förmlich überschwemmt. Und es führt kein Weg hinaus aus diesem sich wiederholenden Kreislauf, der einen mehr und mehr einzunehmen scheint. So sieht das Leben vieler Menschen aus, die tagtäglich mit ihrer hochfunktionalen Depression zu kämpfen haben.
Zwei gegensätzliche Welten
Die hochfunktionale Depression ist eine Form der klassischen Depression (Major Depression), die in ihrer Intensität eher leichter eingestuft wird, dafür aber mehrere Jahre andauern kann. Anders als bei einer klassischen Depression können Erkrankte oftmals erfolgreich ihrem Berufsleben nachgehen. Sie sind ebenso dazu in der Lage, soziale Kontakte zu pflegen und an Aktivitäten teilzunehmen. Gleichsam verliert eine Person im Laufe der Zeit innerlich jedoch immer mehr Lebensfreude.
Gefühle der Traurigkeit, Erschöpfung und Verzweiflung werden stärker. Der Kontrast zwischen der Außen- und der Gefühlswelt ist groß. Daher stoßen Betroffene nicht selten auf Unverständnis bei sich und ihrem Umfeld. Oft können sie ihr Empfinden nämlich selbst nicht nachvollziehen, da ihre Lebensumstände ihnen keinen Grund geben sollten, sich so zu fühlen, wie sie sich eben fühlen.
Diese Art der Depression gilt als weitgehend unerforscht, weshalb eine Aufnahme in den Diagnose-Katalog bis dato nicht möglich ist. In Fachwerken wie der ICD-11 oder dem DSM-5 ist die hochfunktionale Depression als alleinstehende Diagnose nicht auffindbar. Aufgrund des Mangels an wissenschaftlichen Grundlagen und Aufklärung leiden Erkrankte meist für lange Zeit, ohne zu bemerken, dass „etwas“ nicht stimmt. Dementsprechend nehmen sie seltener psychologische Hilfe in Anspruch.