„Homo-Heiler“ sind nicht verboten – gehören es aber dringend

Wenn du krank bist, gehst du zum Arzt. Und wenn du homosexuell bist, dann gehst du eben in Behandlung. Klingt doch logisch, oder? Genau das ist zumindest der Standpunkt einiger, vor allem christlicher Organisationen, die solche Behandlungen anbieten: Homosexuelle „umerziehen“. In New York geht das jetzt nicht mehr. Der US-Bundesstaat hat die sogenannten Konversionstherapien, zumindest bei Minderjährigen, vor ein paar Tagen verboten. Und ist damit der 15. Bundesstaat, der die von Fachleuten abgelehnten Praktiken, mit denen Homosexuelle zur Heterosexualität gebracht werden sollen, gesetzlich verbietet. 

Aber hey, das macht nichts! In Deutschland kann man es nämlich noch. Von politischen Parteien gab es mehrfach Vorstöße für ein Verbot, Ärzte und Psychotherapeuten warnen vor ernsthaften Schäden durch die „Umerziehung“. Trotzdem sind Konversionstherapien bei uns immer noch erlaubt. Wie kann das sein? Und wie läuft so eine Konversionstherapie eigentlich ab?

 

Psychischer Druck, kalte Duschen und Nackttänze

 

Was bei dem Versuch passiert, einen „Patienten“ auf den Weg zur Heterosexualität zu bringen, lässt sich nur vermuten. Im Internet finden sich nur wenige Erfahrungsberichte. Ehemalige Teilnehmer berichten von Gesprächstherapien, in denen ihnen eingebläut wird, sie seien nicht „normal“, ihr körperliches Empfinden nicht richtig. Und sie seien damit alleine. Andere erzählen sogar von körperlichen Qualen und Wochenenden außerhalb der Zivilisation, mit kalten Duschen und Nackttänzen. Auch wenn keine Organisation offen Konversionstherapie anbietet, fallen besonders evangelikale und christliche Gruppen mit solchen Angeboten auf: 2014 machte der christliche Verein für Lebensorientierung in Deutschland damit Schlagzeilen, dass er Homosexualität als eine psychische Störung einstuft und Behandlungen bewirbt. Das kam in einer Anfrage raus, die die Grünen damals im Bundestag stellen. Weitere Vereine, die dort auftauchen: Der Bund katholischer Ärzte, das Weiße Kreuz, Wüstenstrom und die Offensive Junger Christen.

 

Auch Ärzte und Kirche sind gegen die Therapie

 

In den Augen dieser Vereine ist Homosexualität eine Krankheit, die geheilt werden kann – und muss. Dabei wurde die sexuelle Orientierung schon längst als eine solche anerkannt: Bereits seit 1974 strich die amerikanische Psychiatervereinigung es aus ihrem Diagnoseklassifikationssystem, die Weltgesundheitsorganisation folgte 1992. Wissenschaftler und Ärzte sind sich längst einig: Homosexualität ist nichts „Abnormales“. Die Bundesärztekammer, der Weltärztebund und Bürgerrechtsorganisationen haben vor Jahren öffentliche Statements abgegeben, in denen sie Konversionstherapien ausdrücklich ablehnen. Sogar die evangelische Kirche in Mitteldeutschland hat das getan. Nur die Politik schafft es bisher nicht, die „Umerziehungstherapien“ gesetzlich zu verbieten.

 

„Scharlatane, die krank machen, statt zu heilen“

 

Und das ist gefährlich. Experten stufen die Folgen einer solchen Therapie, gerade für junge Leute, als gravierend ein: Es ist die Rede von Ängsten, sozialer Isolation, Depressionen bis hin zum Selbstmord. Volker Beck, damals Bundestagsabgeordneter der Grünen, formulierte es vor einiger Zeit noch plakativer: „Homo-Heiler sind Scharlatane und machen krank, statt zu heilen.“ Also: Konversionstherapien sind eine Menschenrechtsverletzung. Und gehören schon lange verboten.

 

New York und EU: Ein Weckruf? Hoffentlich!

 

Denn für die Vereine ist es vermutlich vor allem eins: schnell verdientes Geld. 600 Dollar zahlen Homosexuelle so zum Beispiel für eine Konversionstherapie in den USA – für ein einziges Wochenende. Und in Deutschland? Da könnte es sogar passieren, dass die Krankenkasse am Ende zahlt. Diese begleicht nämlich auch die Abrechnungen von psychotherapeutische Sitzungen, auf denen kein Therapieziel vermerkt ist.

 

Deutschland ist verdammt spät dran. Die USA machen es ihnen vor, und das Europäische Parlament hat erst im letzten Jahr mit großer Mehrheit dafür gestimmt, Konversionstherapien gesetzlich zu verbieten. Damit ist eigentlich ein Grundstein gelegt, auf den Deutschland jetzt dringend mal aufbauen sollte.

 

 

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Bildquelle: Unsplash unter CC0 Lizenz