Seyneb Saleh lehnt an einer Wand

Über Vorurteile, Identität und Schauspielerei – Seyneb Saleh im Interview

In der neuen Thrillerserie „Munich Games“ von Sky ist Seyneb Saleh als LKA-Kommissarin Maria Köhler zu sehen. Zusammen mit ihren Kollegen muss sie herausfinden, wer einen Anschlag auf das israelische Fußballteam geplant hat. Saleh ist bekannt aus anderen Produktionen wie Jenseits der Spree oder Toubab. Nicht umsonst hat die Schauspielerin vor kurzem den Deutschen Schauspielpreis gewonnen. Wir sprechen mit ihr über „Munich Games“, ihren irakischen Vater und ihre Einstellung zu Vorurteilen.

ZEITjUNG: Was hat dich an der Rolle der Maria Köhler begeistert, dass du sie spielen wolltest?

Es gab verschiedene Faktoren, warum ich das Projekt zugesagt habe. Auch ganz unabhängig von Maria. Allein die Tatsache, dass wir in vier verschiedenen Sprachen spielen, war bereits wahnsinnig reizvoll für mich. Auch wie die Serie erzählt ist, wie sie mit dem eigenen Blick und den eigenen Prägungen spielt, war für mich ausschlaggebend. Und dann natürlich on top: Maria! Diese Rolle ist ein wahnsinniges Geschenk, weil Michal Aviram (Drehbuch-Autorin), mit Maria eine sehr komplexe Figur geschrieben hat und das ist ja bei Frauenfiguren leider noch selten.

ZEITjUNG: Maria ist Ehefrau, Mutter, Geliebte und toughe Kommissarin. War es eine Herausforderung für dich, sie mit den ganzen verschiedenen Facetten darzustellen?

Das Darstellen von komplexen Figuren empfinde ich eigentlich nicht als Herausforderung, sondern eher als Befreiung. Es ist viel mehr erlaubt. Man kann im Spiel ganz anders dosieren, was man wie nebeneinander stellt. Man ist uneingeschränkter, weil die Figur mehr Raum bekommt. Und das bereitet einem sowohl beim Arbeiten als auch beim Zusehen viel mehr Freude.

ZEITjUNG: Was hat dir beim Drehen der Serie am meisten Spaß gemacht?

Die Arbeit mit Philipp Kadelbach (Regisseur). Das ist wirklich ein solches Geschenk. Er ist so unglaublich genau und er kann so fein zugucken. Er sieht wirklich alles. Das erlaubt es einem, wahnsinnig fein zu spielen. Er scheut es nicht, gemeinsam auf die Suche zu gehen und in alle Richtungen zu probieren. Das ist ein sehr aktiver Prozess. Er liebt die Arbeit mit Schauspielern, das merkt man ihm an und deswegen ist es unglaublich inspirierend.

ZEITjUNG: In der Serie wird Hebräisch, Arabisch, Englisch und Deutsch gesprochen. Wie war das am Set? Ist da irgendwann Sprachenchaos entstanden?

Englisch war die Arbeitssprache, da bis auf wenige Ausnahmen alle Englisch sprechen konnten. Ein Teil der Crew kam aus Tschechien, also waren auch hinter der Kamera nicht deutschsprachige Kolleg*innen dabei. Ich liebe das ja, die Vielsprachigkeit. Sowohl beim Arbeiten als auch beim Zuschauen. Die arabische Sprache kommt in der Serie durch Maria und Monir auch im Kontext der Liebe vor. Das ist etwas so Seltenes, weil Arabisch in westlichen Filmen meistens im Zusammenhang mit Terror und Kriminalität vorkommt. Dass man zwei Figuren sieht, die einander ihre Lust, ihre Wünsche, Sehnsüchte und Ängste beschreiben, war und ist für mich wahnsinnig schön und wichtig.

ZEITjUNG: Die Serie thematisiert den 50. Gedenktag des Münchener-Olympia-Attentats von 1972. In der Serie werden auch viele politische und allgemein wichtige Aussagen getätigt. Hat das eure Arbeit am Set beeinflusst?

Wenn man sich mit solchen Themen beschäftigt, muss man sich im Klaren darüber sein, was bestimmte Äußerungen oder Verhaltensweisen über Figuren erzählen und was das dann insgesamt erzählt. Zum Glück habe ich mich mit dem gesamten Team um Philipp Kadelbach, der Produzentin Amelie von Kienlin und dem Autorenteam Michal Aviram und Martin Behnke sehr gut aufgehoben gefühlt. Sie sind sich dieser Verantwortung bewusst und haben im Vorhinein wahnsinnig viel drüber diskutiert und das dann auch an uns weitergegeben, wenn wir an Szenen gearbeitet haben. Man muss immer prüfen, wie weit man Situationen führen darf, wie weit sich Figuren verrennen dürfen und wie man Aussagen nebeneinander stellen kann. Jede Figur hat auch eine andere Perspektive, denn jede Figur ist geprägt von den kollektiven Traumata ihrer jeweiligen Nation. Das sind Prägungen, die sich in Individuen manifestieren und die wir beim Spielen herausgearbeitet haben.